Liedermacher
So fraglich es ist, ob Herman van Veens Broadway-Ausflug – nach dem nie realisierten England-Projekt der zweite Anlauf ins Englische – mehr als die europhoben Intellektuellen für eine US-Karriere vorbereitet hat, so fraglich ist, ob die Live-LP ON BROADWAY (Polydor) bei uns die inzwischen ansehnlichen Stückzahlen seiner anderen Alben erreicht.
Für die van Veen-Fans ist sie in ihrer perfekten Aufnahme eine Pflichtübung und die beste Möglichkeit, im Vergleich mit dem frühen Carre-Doppelalbum die unglaubliche Entwicklung des Multitalents erneut zu bewundern. Doch selbst wenn z.B. seine „Klitschnassen Clowns“ durch Arrangement und van Veens hartes Englisch neue Reize erhielten, sind die meisten Titel, natürlich, hierzulade bekannt.
Aktueller ist da van Veens neue Single, „Die Bombe fällt nie“ (Polydor), die sich erfreulich von der Vielzahl derzeitiger Klagelieder zum beklagenswerten Thema absetzt. Angesichts der Nachrichtenmeldungen ist die Geschichte des Mannes, der da liest, daß die Bombe nie fallen würde, Surrealismus nach Noten.
Apropos Single. Fällt Georg Danzers neues Lied per Single bereits in die Sparte „gehobene Popmusik“ oder ist es noch ein Stück Liedermacherei auf einer für dieses Genre seltenen Single? „Es ist so schön, ein Schwein zu sein“ (Polydor) liegt auf der Linie früherer Onanier-Bekenntnisse und Sex-Koketterien, lebt von modischem Funk-Rhythmus und der augenzwinkernden Textzeile. Eine witzige musikantische Fußnote mit Hitchancen.
Sein Stammpublikum ist auch Reinhard Mey mit seiner neuen, Fernseh-beworbenen LP DIE ZWÖLFTE (Intercord) sicher. Der Nette unter den Liedermachern, dessen Erscheinung zuweilen über den Biß zwischen seinen Zeilen hinwegtäuscht, ist auch jenseits der 200-Lieder-Grenze der Alte geblieben.
So, wie niemand von Coca Cola die Änderung des Namenszuges erwarten würde, so kann auch keiner ernsthaft einen gewandelten Mey auf der 12. entdecken wollen. Wenn, dann hätte er sich längst geändert, doch inzwischen wirkt er wie der Fixstern inmitten einer von Moden nicht unabhängigen Szenerie. Da fallen ein paar Soundergänzungen wie E-Baßtöne nicht ins Gewicht.
Sichere Ernte erwartend – Mey posiert mit Sohnemann auf einem Mähdrescher auf der Coverrückseite, wie überhaupt Fotos aus dem Familienalbum und keine Textillustrationen abgebildet werden -, strapaziert er das ewige Ärgernis Zeitungsente und eine neue Variante seiner Fliegerleidenschaft.
Privates Glück, das zumeist die ihm neiden, die’s nicht haben, wird ebenso ausgebreitet, wie die eigene TV-Leidenschaft einem verständnisvollen, weil ebenso betroffenem Publikum gestanden. Und während Udo, der Lindenberger, kürzlich viel Hitparaden- und Pressewind mit seinem „Sonderzug nach Pankow“ machte, packt Mey das gleiche Thema unpolitischer (und damit eines Tages wirksamer?) an. Wie sang einmal Konstantin Wecker? „Es sind nicht immer die Lauten stark. „
Kurzmitteilung aus Frankreich: Julien Clerc hat auch auf dem englischen Virgin-Label nichts an Vibrato in der Stimme und Eloquenz seiner textlichen Bilder verloren, wie die LP PANT1N 33 zeigt. Musikalisch allerdings wurde vom Jubelchor bis zu Jazzrock jede Verpackungs-Schublade geöffnet.
Traditionsbewußter wirkt Michel Sardon mit den acht Titeln der neuen LP, die nur seinen Namen als Titel trägt (Ariola): Streicher auf dem Walzerkarussell, Akkordeoneffekte per Synthie, durchwegs Dominanz der Stimme gegenüber den Instrumenten. Doch ausgerechnet seine Disco-Buschtrommel-Mixtur „Afrique Adieu“ entwickelte sich zum Singlehit aus dem Album. Auf beiden Plattenhüllen fehlen leider die Texte.
Dann lieber gleich Lieder ohne Texte, wie sie das empfehlenswerte Album TANZTEUFEL des kleinen FolkFreak-Labels (Vertrieb: Deutsche Austrophon) der Gruppe Lilienthal bietet. „With a little help“ von Liederjan, einer anderen renommierten deutschen Folkgruppe, gibt die Lilienthal-Vierer eine amüsante, ansteckende Nachhilfestunde in Sachen deutscher Tanzmusik.
„Es macht viel Spaß, bei solchen Tänzen mit wechselnden Figuren und Schritten dabeizusein. Auf jeden Fall ist es sehr kommunikativ und auch nicht so schlimm, wenn einer mal nicht durchblickt“, nimmt das mustergültige Beiheft im historischen Überblick die Angst vor dem musikalisch bewährten Alten. Und daß es nicht museal zugeht, dafür sorgen schon so Folk-unübliche Instrumente wie E-Baß, Saxophon und Schlagzeug.
Texte und Noten liegen, was selten ist, der LP NA UND! (Rillenschlange, Vertrieb: Deutsche Austrophon) der Peter Braukmann Band bei. Abgesehen von unterschiedlichen Aufnahmequalitäten der Songs ist der erste Soloversuch Braukmanns, der einst zum Folkduo „Schnappsack“ gehörte, ein gutes Beispiel für stilistische Wandlungen eines hoffnungsvollen Musikanten. Als Autor ist er – mit Liedern zu Themen wie Aussteiger-Schickeria, Katastrophen-Blindheit der Mächtigen und Lebensangst der Regierten – ideenreicher als viele Newcomer, als Interpret muß er mit einer Stimme auskommen, die näher am Sprechgesang als beim Melodien-Singen Wirkung zeigt.
Nichts gegen die Legionen von Takten voller Wiener Schmäh, die seit langem bei uns erfolgreich im Angebot sind, aber alles für einen einheimischen Dialekt, wenn er so unverfälscht gesungen wird wie von Conrad Wagner. DERHAMM (Teldec) ist eine Kollektion von 20 Liedern und Miniaturen, die per Musikalität, wohlklingender Stimme, abwechslungsreichem Arrangement und verstecktem Humor („Die Heimaterde küssen… und es schmeggd nach Beddong“) mit dem vertrösten, was Nürnbergs Kom(-mit)-Richter an Frust hinterlassen haben.
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