Lou Reed – Transformer / Berlin

25 Jahre Lou Reed solo – zum Jubiläum „entdeckt“ die Plattenfirma BMG zwei Meisterwerke Reeds, läßt die seit Jahren nur analog gemasterten Silberlinge digital überarbeiten und wirft sie – ohne nur einen Gedanken an Bonustracks zu verschwenden-einfach noch einmal auf den Markt. Schade, denn gerade Lou Reeds frühe bis mittlere Solokarriere verdient absolute Anerkennung. Nach dem Trennungsdebakel von Velvet Underground versteckte sich der New Yorker Untergrund-Poet aus der Warhol’schen Factory knapp anderthalb Jahre lang in Long Island und leckte sich die Wunden. Erst ein Solo-Vertrag beim US-Label RCA lockte den begnadeten Songschreiber aus der Reserve. Sein Debütwerk LOU REED mit Material, das ursprünglich für Velvet Undergrounds fünftes Album bestimmt war, entpuppte sich künstlerisch und kommerziell als Rohrkrepierer. 1972 zog Lou nach London, kleidete sich in hautenge Lurex-Anzüge, griff tief in den Make-Up-Topf und lackierte sich die Fingernägel schwarz. David Bowie – Labelmate, Reed-Verehrer und Superheld der Glam-Szene – bot sich mit Sidekick Mick Ronson als Produzent an. Mit dem Ergebnis der Zusammenarbeit, dem Album TRANSFORMER, wurde Reed endlich internationale Achtung zuteil und die spartanische Ballade „Walk On The Wilde Side“ wurde sein bislang einziger US-Top-Ten-Hit. Schneidende Rockriffs Marke Velvet („Vicious“, „Andys Chest“), pathetische Balladen („Perfect Day“, „Satellite Of Love“) und Vaudeville („Make Up“) machten seinen zweiten Solo-Longplayer zum Meilenstein des Glam-Rock. Doch der in Poetikkursen auf der Syracuse Universität geschulte Reed hing Höherem nach: Ein Konzept-Album, und zwar ein Doppelalbum, sollte es sein. In jener Ära nichts Ungewöhnliches. Doch der Inhalt schockte die RCA-Bosse: Zwei amerikanische Junkies, Jim und Caroline, vegetieren zwischen Sex, Gewalt und Selbstmord in der Metropolen-Frontstadt, die dem Epos den Namen gab: BERLIN geriet zum großorchestrierten, düsteren Werk. Das Album mit seinen Themen Verzweiflung („Lady Day“), Frauenverachtung („Oh, Jim“), Kindesmißhandlung („The Kids“), Gefühlskälte („Caroline Says Part I & II“) und Depressivität („Sad Song“) übte auf die Musiker der kommenden Wave-Generation (Andrew Eldritch, Siouxsie Sioux, Robert Smith) einen besonderen Reiz aus.