Louis XIV – The Best Little Secrets Are Kept :: Der neue Hedonismus
Vielleicht war es ja ein Fehler des zuständigen Praktikanten, wahrscheinlich aber eher der Beginn einer geschickten Marketingstrategie: Da flattert Monate vor „Markteinführung“ (Veröffentlichung) via „Mailing“ (Postversand) ein „Booklet“ (Büchlein) ins Haus, das auf ein „Produkt“ (Album) hinweisen soll. Das Produkt heißt The Best Little Secrets Are Kept und stammt von der kalifornischen Band Louis XIV, und das Booklet (very stylish) ist so weit vom Produkt (very indie) entfernt, daß nur die Vollchecker, die sich schon im März das Album aus den USA besorgt haben, eine Verbindung zwischen Produkt und begleitender Werbemaßnahme herstellen können. Im Booklet ist ein leicht bis gar nicht bekleidetes Model zu sehen, das so unanständige Dinge tut wie Zigaretten rauchen und offensive Blicke in die Kamera werfen, ein paar nicht mehr ganz so junge Anzug-Typen mit Britpopperfrisuren, die cool herumstehen oder dem Model Songtitel auf den nackten Rücken schreiben, alles schön stylish fotografiert. Und die, die die Botschaft nicht verstanden haben, können wir mit der Weisheit trösten, daß die besten kleinen Geheimnisse eben die sind, die auch geheim bleiben.
Louis XIV (sprich: „fourteenth“, nicht „quatorze“) markieren wieder einmal einen Wendepunkt in lndieland. Während die Pseudos schnell mal einen auf indie machen wollen, weil es gerade sehr schick ist. Indie zu sein, ist Indie schon längst ganz woanders angekommen. Beim neuen Schick, beim neuen Hedonismus. Oder anders: Man darf den Rock’n’Roll gerne ab und zu daran erinnern, was ihn einmal großgemacht hat, man darf gerne Drogen nehmen, wenn man den Kindern sagt, daß das pfui ist, man darf gerne versuchen, gut auszusehen, wenn man gute Musik macht, und man darf gerne wieder übers Ficken singen, wenn man ’s gerne tut und anders tut als die Bloodhound Gang.
Die Engländer flippen schon seit ein paar Monaten wegen Louis XIV aus, vielleicht, weil die Band aus San Diego britischer klingt als manche Briten und weil sie von einem Punkt aus operiert, der circa ein Jahrzehnt in Gegenrichtung entfernt ist vom aktuellen Wave-Pop-Revival. The Best Little Secrets Are Kept verbindet die unterkühlte Sexvness von T. Rex (wir erinnern uns: „Get It On“ ist der sexieste Song aller Zeiten) mit der Rotzigkeit der Rolling Stones in ihrer drogeninduzierten Hochphase (circa stick Y Fingers) und der Schlampigkeit der Faces in ihrer alkoholinduzierten Hochphase (circa Long Player) und wirft dabei auch noch ein paar arschwackelnde Hits ab. „God Killed The Queen“ wird der Indie-Hit der aktuellen Saison werden. „A Letter To Dominique“ ist der T.-Rex-Song, der Marc Bolan zu spät eingefallen ist und „All The Little Pieces“ die Britpop-Ballade, die Noel Gallagher gerne geschrieben hätte. Wir feiern die Rückkehr der Handclaps in die Popmusik und freuen uns übeT ein paar schöne Zwischenspiele wie die Slide-Gitarre aus der Psychedelic-Hölle, die von „God Killed The Queen“ zu „A Letter To Dominique“ überleitet.
Man darf Louis XIV aber nicht allzu ernst nehmen. Wie hier die Verstärker übersteuert werden, damit die Gitarren auch richtig schön verzerren, wie Sänger Jason Hill die coole Sau aus seinen Stimmbändern heraushängen läßt, hat schon was vom kalkulierten Indie-Hype. Man darf auch die Texte nicht allzu ernst nehmen oder sie zumindest nicht Alice Schwarzer zeigen, weil es hier nur um Frauen geht, und weil die Frauen hier nur als Sexobjekte dargestellt werden – in einer Metaphorik, die in ihrer falschverstandenen Smartheit durchaus auch wieder ihre Momente hat: „A milkshake milkshake I love to feel you sweat / We don’t have to go to the pool/If you want me to make you wet/ But can you keep a secret/ Because the best little secrets are kept“ (aus „Pledge Of Allegiance“). Aber Vorsicht, Freunde: Nach Louis XIV kam dann irgendwann die Französische Revolution. VÖ:18.11.
www.louisxiv.net
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