Madonna: Berlin, Max-Schmeling-Halle :: Die Chefin poppt

Man kann erschlagen werden, ohne sich ernsthaft zu verletzen. Berlin hat es erlebt, 44.000 sind dabei gewesen. Dem Overkill in den Medien ließ Madonna Taten folgen, bei denen sie vor allem körperlich zu tun hatte. Gesungen hat sie natürlich auch, aber nicht immer, wenn Gesungenes zu hören war. Der größte Gag kam ziemlich früh, als die Fotografen noch bei der Arbeit waren. Da sprang Madonna mit Gitarre auf die Bühne und spielte sogar darauf, ein bisschen wenigstens. Kurz zuvor hatte sie „Substitute For Love“ gesungen. Und mit dem Ersatz des Echten, so stand zu befürchten, würde man wohl oder übel leben müssen, die nächsten 95 Minuten. Man hätte sich noch oft wundern können an diesem zum Giga-Event hochgejazzten Abend, doch irgendwann kam der rettende Gedanke: Warum nur glauben oder hoffen, hier im Konzert zu sein? Das ist ganz einfach keines. Das ist ein poppig buntes Spektakulum, bis in den letzten Winkel inszeniert, choreographiert, aller Erotik und zum Schluss noch jeder Ahnung von Seele und Passion beraubt. Dennoch: Madonna ist und bleibt eine Pop-Ikone. Bloß reicht das der Entertainment-Königin nicht. In wilder Betriebsamkeit kämpft sie um ihren Ruf als Künstlerin, die 42-Jährige, die für den altersbedingten Rauswurf längst viel zu groß geworden ist. Stattdessen bleibt sie frech, zeigt uns im Schottenrock, als Geisha oder Westerngirl, wie viel es schon gibt von ihr und wie ungeheuer lange sie jetzt schon dabei ist. Dem zuzuschauen, ist toll. Manchmal aber wirkt das Ganze auch albern, weil die Designer viel zu tief in die Mottenkiste gegriffen haben, um den Mythos Madonna in Szene zu setzen. Die Popgöttin schubst nicht irgendwelche Männer um, sondern Männer in Taucheranzug und Gasmaske. Dazu säuselt sie dann „Kiss me“.Trotzdem: Die über hundert Screens (und noch dazu drei riesengroße in High Tech) brennen sich in die Netzhaut. Und sowieso muss man dreimal hinein in die pompöse Show, bis alles endlich gesehen ist. Hören aber tut man alles schon beim ersten Mal: ein Dutzend Songs des letzten Albums und von dem davor, kaum einmal nur ein paar Millimeter weg vom Original, weil sonst das perfekte Gesamtbild nicht mehr stimmt. Madonna reitet singend auf ’nem falschen Bullen, bloß ohne Staub und Schweißgeruch und blaue Flecken. „Express Yourself“ hören wir dazu, doch da ist der Dollar für den Bullen auch schon verbraucht. So oft haben wir uns schon lange nicht mehr mit Bildern getröstet, wo doch eigentlich im Vorfeld von Musik die Rede war. „Isla Bonita“, „Holiday“ und „Music“ werden ganz am Ende gegeben. Warum aber im Auditorium der Geruch von Ohnmacht durch die Reihen zieht, wenn Madonna bloß einen Finger und recht oft den mittleren rührt und dazu ein eher peinliches „Fuck off, Motherfuckers“ ruft, darüber werden die Geschichtsschreiber zu befinden haben. Aber wenigstens toll bunt war’s für 250 Mark. Billig hatte ja auch keiner versprochen.

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