Madredeus – Electronico

Für Puristen ist sowas ein Graus: Wer immer die Idee hatte, die Musik der erfolgreichsten Exporteure des traditionellen portugiesischen Liedguts von international renommierten Remixern bearbeiten zu lassen, hat gewusst, dass er mit diesem Vorhaben automatisch Kritik herausfordern würde. Zu oft schon sind Perlen aus fremden Musikkulturen bei den Aufmöbelungsversuchen westlicher Produzenten brutal verhunzt worden. Aus drei Gründen hebt sich ELECTRONICO wohltuend von allen Mogelpackungen aus dem Ethnopop-Ramschladen ab: Fado lebt hauptsächlich von seiner melancholischen Aura, von den weiten Melodiebögen und dem Ausdruck der Vokalisten, hat im Vergleich mit anderen südlichen Musikstilen aber relativ wenig rhythmisches Profil. Dadurch bleibt strukturell wie auch im Empfinden des Hörers Raum für neue Grooves. Zudem waren hier Remixer am Werk, die ihr Handwerk und ihr Ausgangsmaterial gleichermaßen ernst nahmen: Keiner hat sich „billig “ klingende Grooves erlaubt, keiner einfach bloß die Madredeus-Songs mit modernen Beats unterlegt. Alle haben das wertvolle klangliche Rohmaterial mit viel Feingefühl auseinandergenommen und, geschmackvoll elektronisch angereichert, wieder zusammengesetzt. Im Zentrum der Musik von Madredeus steht die außergewöhnliche Stimme von Teresa Salgueiro, in der die folkloristische Wärme dieser Kneipenlieder sich mit einer kühleren, in die Hochkultur weisenden Note vermischt. Die 13 hier beteiligten Produzentenl-gespannel haben das erkannt und die Architektur ihrer Arrangements entsprechend ausgerichtet. So geht kaum etwas von der wehmütigen Atmosphäre und tiefen Leidenschaftlichkeit des Fado verloren, obwohl eine frischere Brise sachte über die neu polierte Oberfläche weht. Am wenigsten überzeugt das Gewand, dass die beiden Faithless-Musiker Rollo Armstrong und Mark Bates „Andorinha da Primavera“ angedeihen ließen: Sie verwenden einen Groove, dessen maschinelle Strenge den weichen Atem der Madredeus-Musik fast abwürgt. Ansonsten aber ist ELECTRONICO ein schöner Beweis dafür, dass Denkverbote in der Musik genauso fehl am Platz sind wie irgendwo sonst.

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