Magnolia Electric Co. – Sojourner :: Verwischte Spuren

So schlecht kann es um die Musikbranche gar nicht bestellt sein, wenn Woche für Woche die Alben von als hoffnungsvoll apostrophierten neuen Singer/Songwritern veröffentlicht werden. Deren musikalische Scharlatanerien in Tateinheit mit jammerlappiger Befindlichkeitslyrik und/oder politisch motivierten Trivialaussagen („Amerika ist nicht mehr das, was es einmal war“, „George W. Bush ist schlecht“) werden dann von einem aufs Genre fixierten Minderheitenpublikum unter Jubelstürmen aufgenommen. Da wird jedes Kratzen der akustischen Gitarre als Signal der Geburt des neuen Bob Dylan gedeutet. Da wird der bonbonsüße Schwulst ganzer Albenzyklen über die sexuelle Orientierung des Protagonisten als große Kunst gefeiert – und deren Entlarvung als Kitsch mit Homophobievorwürfen beantwortet. Und einer wie Jason Molina bleibt weiterhin unbeachtet. Am Anfang (ab 1997) mit Songs:Ohia, später (ab 2003) mit Magnolia Electric Co. und als Solist war und ist Molina der existenzialistische Traditionalist unter den Songwritern. Mit brüchiger Stimme, die sich immer wieder Vergleiche mit der von Neil Young gefallen lassen muss, trägt er seine desparaten, dunkelgrauen Lieder vor, in denen sich die Weite seines Landes wiederfindet. Eine Weite, die den Raum bietet für eine durch innere Zerissenheit motivierte Rastlosigkeit, die Molina wie ein Nomade durch dieses Land und durch die Welt ziehen lässt, um die Botschaften seiner Lieder zu verkünden. Eine Box mit fünf digitalen Datenträgern ist ein ganz schönes Pfund, zumal wenn sie – wie Sojourner – nicht „die umfassende Werkschau“ sein will, sondern sich aus den Sessions für ein einziges Album speist. Die formschöne Holzbox mit vier CDs und einer DVD (die CDs stecken in Hüllen, die Popcorn-Tüten nachempfunden sind, die Tracklisten sind als individuell gestaltete Postkarten beigelegt) enthält die nahezu kompletten Sessions, aus denen Jason Molina im vergangenen Jahr das Album Fading Trails destilliert hatte. In diversen Locarions (Memphis, Chicago, Richmond, Molinas Wohnzimmer), mit diversen Produzenten (u.a. Steve Albini und David Lowery) und 13 Musikern. Dazu die DVD The Road Becomes What You Leave, eine Dokumentation über Magnolia Electric Co. auf Tour in Kanada. Von der Intimität der akustischen Solo-Homerecording Shohola über die sanften Elektrifizierungen mit voller Bandbesetzung auf Nashville Moon (produziert von Steve Albini) bis hin zur dezenten Ambience von Black Ram – es bleibt ein starkes Statement eines großen – wir wiederholen – sträflich missachteten Singer/Songwriters. „Another high quality recording by the Magnolia Electric Co., U.S.A.“, behauptet der Aufdruck auf den CDs. Nicht nur das, sondern große Kunst.

www.magnoliaelectricco.com