Marianne Faithfull – It’s All Over Now, Baby Blue

Zum Jahreswechsel 1969/70 war die Sixties-Ikone Marianne Faithfull ein ausgebranntes Drogenwrack. Die Karriere der Sängerin, die auch als Theater- und Filmschauspielerin Fuß fasste, lag genauso in Schutt und Asche, wie ihre in der Boulevardpresse häufig skandalträchtig kolportierte mehrjährige Beziehung zu Mick Jagger. Die heroinsüchtige Marianne wurde wirklich zu dem gefallenen Mädchen, dass die auf Doppelmoral abonnierte Öffentlichkeit schon immer gern in ihr gesehen hatte, seit ruchbar wurde, dass sie jener blonde nackte Engel im Pelzteppich bei der Stones-Drogenrazzia im Februar 1967 war. In jenen schweren Tagen hielt Produzent, Arrangeur und Komponist Mike Leander (The Drifters, Gary Glitter) als einer der wenigen aus der Branche zu ihr. Leander, der sie noch aus jener unbeschwerten Ära kannte, als Stones-Manager Andrew Loog Oldham diejungfräuliche Blondine als Popstar aufbaute, besorgte Marianne 1971 ein Domizil, sorgte für ihre Entgiftung und einen neuen Plattenvertrag. Doch die zwölf, für die Plattenfirma Bell enstandenen bluesigcountryesken Tracks mit eindringlichen Coverversionen von Dylan („Visions Of Johanna“, „It Takes A Lot To Laugh.lt Takes A Train To Cry“,“lt’s All Over Now, Baby Blue“), James Taylor („Mud Slide Slim“), George Harrison („Beware Of The Darkness“) und Sandy Denny („Crazy Lady Blues“) erschienen erst anderthalb Dekaden später. Der abrupte Karriereeinbruch lockte bei der Faithfull den Drogendämon erneut hervor. Erst 1975 betrat sie wieder ein Aufnahmestudio. In einer Periode von über zehn Monaten entstand das am Nashville Country und Memphis Soul orientierte DREAMING MY DREAMS, dass sich seltsamerweise zum durchschlagenden Erfolg in Irland mauserte. Stimmige Interpretationen von Jackie de Shannon, Waylon Jennings und Jessi Coulter ergänzte die stigmatisierte Künstlerin um das selbst verfasste Stück „Lady Madeleine“, ein melancholisches Abschiedslied an eine durch den goldenen Schuss verlorene Geliebte. Mit IT’S ALL OVER NOW, BABY BLUE liegt nun erstmals der gesamte 70’s Output (natürlich minus BROKEN ENGLISH) der Faithfull auf einer CD vor.