Marius Müller- Westernhagen – Das Herz Eines Boxers

Der Müller-Westernhagen hat das Herz am rechten Reck. Wer in ihm noch immer den Prototyp des Chauvinisten erkennt, ihn einen Zyniker par excellence nennt, ihn schlicht für einen Großkotz hält, ist über eine oberflächliche Betrachtung nicht hinaus gekommen.

Denn so sehr er darauf achtet, keinerlei Erwartungshaltungen zu erfüllen, begibt er sich dennoch auf eine Gratwanderung, indem er bewußt all den Mißverständnissen im Volk neue Nahrung gibt, sich in der Rolle des Provokateurs gefällt. Mag es auch pathetisch klingen: In Marius‘ teilweise beißendem Spott liegt manchmal mehr Sympathie, mehr ehrlich gemeinte „Liebe“ für die Menschheit verborgen als in allen verlogenen Friedensliedchen à la Nicole und Co.

Westernhagen ist der Boxer. In kaum einer anderen Figur wird das Geben-, Nehmen-Prinzip dermaßen deutlich. Die Boxermetapher offenbart zwei Aspekte: Die des unerschrockenen Kämpfers (= Helden), siehe Frontcover, und jene des ausgeknockten, am Boden zerstörten Häufchen Elends (= Verlierer), siehe Rückseite. Das ist die Kehrseite der Medaille. Und wer Schläge austeilt, muß auch bereit sein, welche einzustecken. Und auch ein Boxer reagiert sehr sensibel, besteht nicht nur aus Kraft und Härte. Dies gilt es zu bedenken.

Zur Musik: Der BOXER bietet leicht verschobene Akzente. Die bisher rein traditionellen Spielarten (Blues, R&B, R’n’R) erfahren eine klangliche Auffrischung, ohne daß Westernhagen krampfhaft bemüht wäre, dem einen oder anderen Zeitgeist gerecht zu werden. Nachvollziehbar wird dies im off-beat von „Daß Da Was War“ und „Rien Ne Va Plus“, dem Bläserchorus von „Hollywood“ oder den Keyboards in „Lieber Gott“ sowie im gesamten Arrangementverstandnis.

Insgesamt eine LP, die beweist, daß Marius sich treu geblieben ist: Trotz Erfolges und Massenhysterie bleibt er unbequem.