Es gibt gute und schlechte Musik. Innerhalb des deutlich kleineren Anteils der guten Musik wiederum gibt es sehr viel wohlklingende, aber inhaltlich arme Musik und wenig tiefe, bedeutungsvolle Musik. Stellen wir nun die Maximalforderung und fragen nach beseelter, wohlklingender und womöglich sogar zeitloser Musik, dann wird die Liste bedenklich klein. Zwei der Platten, die dort bleiben dürfen, sind von Talk Talk: SPIRIT OF EDEN und LAUGHING STOCK. Hier entsagte das britische Pop-Quartett ebenso überraschend wie radikal der Jugendkultur und ging dementsprechend kommerziell unter. Danach herrschte sieben Jahre Schweigen, genug Zeit, um diese grandiosen Wave-Sinfonien in ihrer vollen, 64-spurigen Größe zu erkennen. Mit dieser Platte nun steht fest, was zwar alle ahnten, aber nie offiziell verkündet wurde: Talk Talk ist nicht mehr. Doch niemand muß um die Band trauern, denn Mark Hollis‘ gleichnamiges Album zeigt, daß seine Stimme, sein Songwriting die Essenz der Band war. Und nichts weniger als eine Essenz ist dieses Werk geworden – zarte, schmerzvoll-schöne Musik an der Grenze zwischen E und U, im stillen, melodischen Niemandsland. Gab es auf den letzten Stücken von Talk Talk noch ein paar instrumentale Verdichtungen, so ist dieses Album eine kontemplative Übung in Disziplin und Ruhe, ein Beweis dafür, wie weit abseits vom Pop-Geschehen Mark Hollis mittlerweile steht. „Ich mag lieber Stille als Klang“, sagt er und „ein richtiger Ton ist besser als zehn falsche“. Dementsprechend hat er den Stecker aus der Wand gezogen und eine kleine Gruppe Musiker zum gepflegten akustischen Töne-Austausch gebeten, mit dem Ergebnis der luftigsten Platte aller Zeiten. Musik, die wirkt, als wäre sie auseinandergenommen, von allem Unrat befreit und mit kleinen Atempausen wieder zusammengesetzt. Dazu Hollis‘ einzigartiger nasal-brüchiger Gesang, der, obgleich noch entrückter und vermurmelter als früher, den Stücken Richtung und Drama gibt. Eine Platte, die die Zeit anhält und die Wahrnehmung verändert. Nicht von dieser Weit.