Marvin Gaye
Here, My Dear
Motown (Universal)
Kollege hh meinte als erster, nun wolle Marvin Gaye mit dem Doppelalbum „Here, My Dear“ wohl mal in Stevie Wonder’s Fußstapfen treten und zeigen, wer der Größte unterm Soul-Himmel ist. So gesehen, sollte Gaye weitere Versuche in entsprechender Richtung unterlassen. Anderseits hat Gaye mit beispielsweise „What’s Going On“ oder „Let’s Get It On“ und auch im Duett mit Diana Ross vortreffliche Alben geliefert, die im Sinne eines Songtitels wie „You Sure Love To Ball“ Thema Nummer eins bevorzugten und dabei „einige der stimulierendsten bis dahin veröffentlichten Schlafzimmergesänge“ (Rocklexikon) enthielten.
Thema von „Here, My Dear“ ist nun zwar auch die Liebe, indes unter dem Aspekt von Gaye’s Trennung von seiner Frau Anna. Solches ist natürlich meistens schmerzlich – Gaye’s persönliche Gefühle also in allen Ehren. Doch eine Langspielplatte ist halt keine private, sondern eine öffentliche Angelegenheit, und man kann von niemandem erwarten, daß er/sie gleich in Mitgefühl ausbricht, weil Herr Gaye Privatprobleme hat und diese auf „Here, My Dear“ exzessiv auslebt. Zumal er eben nicht Allgemeingültiges formuliert wie Anfang der siebziger Jahre die US-Songwriter im Schlepptau von Neil Young oder Joni Mitchell.
Mich berührt das private Schicksal meiner Verwandten, Freunde und Freundinnen und nicht zuletzt meiner Schüler – Zeit für Marvin Gaye bleibt mir da nicht, weshalb mir dessen Gefühle also ziemlich schnuppe sind. Und unter dieser Sicht halte ich „Here, My Dear“ für ein perfekt produziertes, von Weltschmerz durchzogenes, deshalb vorwiegend eintönig und schleppend klingendes Album, dem ich auch nach dem vierten Anhören wenig abgewinnen kann. In froher Stimmung mag ich es nicht auflegen, weil es mich bedrückt, in mieser Stimmung erst recht. Und als bloßer Hintergrund ist mir Marvin Gaye eigentlich zu schade. ??