Mathilde Santing, Hamburg, Macadam
Alle zwei Jahre eine neue Mathilde on stage: 1982 nur ihre Stimme und die Musikmaschine; 1984 mit zwei Multi-Instrumentalisten, die Songs nach wie vor handverlesene Cover-Versionen, kühler Seelenbalsam; 1986 von einem Quintett begleitet, im Repertoire neben den feinsinnigen Klassikeraufbereitungen von einst auch forsches Uptempo-Material, das im Herbst auf Platte erscheinen soll.
Weil Percussionspieler Michael Vatcher, vom Freejazz kommend, kein „Rhythm Keeper“ ist, heuerte die Band zusätzlich den „Tapes“-Drummer Peter Meurig an. Neu sind Geige und Kontrabaß, Weggenosse seit eh und je: Rolf Hermsen, ein versierter Arrangeur und Komponist, der mich live allerdings durch seine ungeschlachten Gitarrensoli verstörte: ein müder Abklatsch der Shadows-Tradition.
Schwierigkeiten hatte ich auch mit einigen neuen Power-Songs, vorangetrieben von heftigen Unisono-Parts, wo bislang das Keyboard delikate Harmoniefolgen in der Schwebe hielt. Das Ganze nie wirklich straightforward: Asymmetrie und wohlkalkulierte Löcher. Nur konsequent, daß der Titelsong für die kommende LP wohl „Out Of This Dream“ von Tom Waits sein dürfte.
Die ungewohnte Heftigkeit draufgängerischer Titel wie „Something Good“ muß sich Mathilde Santing noch abringen — nicht ohne sanfte Gewalt, denn ihr Element ist nun mal nicht die emotionale Erregung, sondern Understatement, distanzierte Intimität. Burschikos beschleunigte Versionen von „You Took Advantage Of Me“ oder „Too Close For Comfort“ haben mich jedenfalls weniger berührt als das kammermusikalische „Why Try To Change Me Now?“
Gesang ohne Mikro und Verstärker, Akkorde auf den Saiten von Geige und Baß gezupft -— ein Kabinettstückchen von so zerbrechlicher Schönheit, daß noch den blasiertesten Nachtclub-Hängern im „Macadam“ (Flascherl Bier achtfuffzig) die Augen feucht wurden.
Mathilde Santing möchte sich nicht auf besänftigende Evergreens festnageln lassen. Keine „Barmusik der 80er Jahre“, kein trendgerecht verpacktes Swing-Revival. Vor Klischees tritt sie die Flucht nach vorn an. Orientiert sich —- negativ —- an fremden Erwartungen. Behutsamkeit ist da ausnahmsweise angebracht.
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