Mein Freund Miles von Quincy Troupe :: Heldenverehrung
Knapp zwei Jahre vor seinem Tod wiederholte der notorisch Grenzen überschreitende Jazz-Trompeter und-komponist, was ihm in seiner 45 Jahre währenden Karriere schon so oft gelungen war, nur diesmai in einem für ihn neuen Medium: MILES-THE AUTOBIOGRAPHY elektrisierte und polarisierte (nicht nur) die Jazz-Öffentlichkeit ähnlich wie zuvor Alben wie KIND OF BLUE, IN A SILENT WAY oder vor allem BITCHES BREW. Das Buch rief nicht nur wegen Davis‘ Sexismus und seinem Hang zu Four-Letter-Words Stürme der Entrüstung hervor, sondern auch weil sich eine Reihe von Davis‘ Zeitgenossen an die darin geschilderten Begebenheiten durchaus anders (und meistens weniger vorteilhaft für den Erzähler) erinnerten als The Man With A Horn himself. Aber hier ging es eben um Miles‘ Sicht der Dinge und die war vielleicht nicht immer fair, dafür aber ausgesprochen packend zu lesen. Die Autobiografie trug den Zusatz „with Ouincy Troupe“ in der Autorenzeile. Dem heutigen Literaturprofessor Quincy Troupe gelang es damals beim Editieren der Tonbandmitschnitte aus zahlreichen Interviewsitzungen,die Sprecht- und Denkweise des Trompeters ohne große Reibungsverluste einzufangen und dabei als Autor selbst sozusagen unsichtbar zu bleiben, wollte er doch „dem Leser das Gefühl geben, dass Miles ihm gegenübersitzt und direkt zu ihm spricht.“ Dieses Verfahren hat offenbar ein narzistisches Defizit bei Troupe hinterlassen, denn nun schildert er das Entstehen der Davis’schen Lebensbeichte in einem schmalen Bändchen. MEIN FREUND MILES beschert dem Leser gegenüber der bereits erhältlichen Davis-Literatur wenig Erkenntnisgewinn, dafür aber eher peinliche Einblicke in die Beziehung zwischen einem bis zur Brutaliät exzentrischen Star und dem ihn geradezu masochistisch anhimmelnden Ghostwriter.
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