Miles Davi :: Fünf Re-Releases
Elektrisch
Als Mann mit Faible für ungewöhnliche Experimente war Miles Davis in der Welt des Jazz seit Ende der 40er ebenso populär wie berüchtigt – etwa als „Erfinder“ des Jazz-Rock. Der ungeliebte Bastard Rock blieb anfangs im elitären Jazz-Zirkel unbeachtet. Erst als das jugendliche Genre seine ungestüme Sturm-und-Drang-Phase hinter sich ließ, kam es zu einer Annäherung. Als erster improvisierte Davis gefühlsintensiv auf freier Rhythmusbasis mit federleicht integrierten elektrischen Instrumenten ohne festgelegte Harmoniefolgen. Akkorde veränderten sich zur Dissonanz, Noten türmten sich zu Soundgebirgen auf oder brachen unvermittelt ab. Diesen psychedelischen Trompeten-Rock-Jazz vernahm die Davis-Anhängerschaft erstmals 1969 auf IN A SILENT WAY, dem ein Jahr später das Meisterstück BUCHES BREW folgen sollte. In den Jahren 1970 bis ’74 entstanden fünf Livemitschnitte, die nun als Doppel-CDs im Original-Cover-Artwork aufgelegt werden. Die Live-Premiere von Davis‘ neuer Sound-Richtung fand am 10. April 1970 in Billy Grahams Hippie-Mekka Fillmore West statt. MILES DAVIS AT THE FILLMORE WEST (65138 2) 5 präsentiert das durch Improvisationen leicht veränderte Gesamtkonzept von BITCHES BREW unter Mitwirkung von u.a. Chick Corea und Jack De Johnette. Im Juni gleichen Jahres gastierte der Tourtroß an der Ostküste. Aus vier umjubelten Konzerten stammen die Aufnahmen zu AT FILLMORE: LIVE AT THE FILLMORE EAST (65139) 5 . Mit dem neu hinzugekommenen Organisten Keith Jarrett, der sich mit Corea gewaltige Soundschlachten lieferte, schlug Miles ein völlig neues Kapitel auf. Daß jene Phase kreativ und intensiv war, beweist das nur wenige Monate später aufgelegte Konzeptwerk aus Studio- und Live-Tracks: LIVE-EVIL (65135) 6. Miles kreierte damit eine abenteuerlich-philosophische Reise ins menschliche Unterbewußtsein. Bei diesem nach allen Seiten hin offenen Klangexperiment erhielt der Meister Unterstützung von Herbie Hancock, John McLaughlin, Ron Carter, Billy Cobham, Wayne Shorter und Joe Zawinul. Mit dem stark von Afro-Soul-Funk geprägten IN CONCERT: LIVE AT THE PHILHARMONIC HALL (65140) 6 erweiterte Davis 1972 erneut seinen Horizont. Dabei ließ er seine Band hinter sich und ersetzte sie durch junge, unbekannte Musiker. Durch die rhythmische Basis aus Drums, Tabla, Percussion und Sitar erhält der improvisierte Electric Jazz eine tanzbare Note. Im Gegensatz zu den vorangegangenen extremen Stilwelten steht DARK MAGUS: LIVE AT CARNEGIE HAU (65137) 5 vom März 1974. Abermals erwies sich Davis als Extremist, der über die Grenzen des Jazz hinausblickt. Der verspielten Funkverliebtheit entrückt, wendet sich Davis dem Free-Jazz-Idiom zu. Ein dichter, erregender Dschungel voller Klangmysterien läutete die letzte musikalische Schaffensphase vor einer längeren künstlerischen Pause ein, die schließlich in den 80er Jahren einen völlig veränderten, für den Kommerz offenen Miles Davis hervorbringen sollte.
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