Moby :: Animals Rights
Sieht ganz so aus, als wolle da einer nach Jahren der Besinnlichkeit und der ruhigen Tüftelei endlich mal so richtig auf den Putz hauen. Nach dem Motto: Wir können auch anders. Jedenfalls hat Moby nach seinem liturgischen, genial phosphoreszierenden Album EVERYTHING IS WRONG, das sich aufreizend entspannt mit den Sounds und Klängen in der privaten Bewußtseins-Achterbahn verband, nunmehr ungefähr 12.000 Gänge hinaufgeschaltet und der verschreckten Gemeinde ein Werk vorgesetzt, das rauher und rüpelhafter ist als ein unglücklich verliebter Humphrey Bogart unter Capucchino-Einfluß: hinweg mit allen Sentimentalitäten, jetzt reden wir Tacheles: Wer hätte das gedacht? Auf ANIMAL RIGHTS wummert und kracht es herzhaft wie bei einer zünftigen Wirtshausschlägerei in Connecticut kurz nach dem Frühschoppen. Kann man, fragt sich da der verblüffte Hörer, den Herrn am Ende auch preisen, indem man seinen Priester mit der Monstranz vermögelt? Bei Gott, man kann. Moby, der Vielschichtige, einer der größte Geheimnisträger der Musikgeschichte, hat sie wieder einmal alle auf dem falschen Fuß erwischt. Und hat sich nunmehr ratzfatz als ausgebuffter Meister der Punkrock-Resteverwertung erwiesen. Plötzlich kommt er – Überraschung – daher wie ein durchgeknallter Außerirdischer, der uns den eigenen Trash in neuer Verpackung um die Ohren haut: Hier, nehmt das! Hört her, wie schön da die Gitarre rumpelt! Lauscht, wie die Drums durchs Gehör knallen und der Gesang hysterisch Botschaft zerkaut: Ja, das ist schön. Moby, seit den (Twin-Peaks-) ‚GO‘-Remixes Inbegriff des schillernden Techno-Künstlers, hat seine alten Gitarren und seine Punk-Vergangenheit wiederentdeckt (dereinst lärmte er bei den Vatican Commandos, bei Flipper und kurzfristig auch bei Ultra Vivid Scene) und lärmt fast wie weiland die Goldene Horde durch die Ebenen, wildernd, krakeelend. Damit vollzieht er genau jenen Schritt zurück, den vor ihm die Techno-Bewegung naserümpfend in die andere Richtung getan hatte. Sollte da der ewig vor sich dümpelnde Rock von virtuellem Komponieren und abstraktem Soundproduzieren feierlich abgelöst werden, scheint diese Idee – wenigstens für Moby – nun auch schon wieder leidlich obsolet geworden zu sein. Ein Schaden ist das nicht, weder für die einen noch für die anderen. Denn ANIMAL RIGHTS beweist, daß die genaue Kenntnis abgespaceter Soundwelten durchaus auch gut zum Rock in seinen puren, metallischen Formen paßt: Als Produzent verleiht Moby einerseits seinen Songs eine ganz eigentümliche Aura, die er andererseits als Musiker durch kräftiges Gitarrengebolze einigermaßen kleinhält. a freilich: Der eigentliche Erfinder solchen Musizierens ist er nicht; nehmt Prodigy, denkt an Ministry. Was aber Mobys neues Album so gut macht, ist seine durch und durch straighte Ehrlichkeit. Er puzzelt nicht rum, sondern entfaltet eine brachiale Kraft und ein Wissen um die Naturgewalt der Klänge, das man ihm so vielleicht gar nicht zugetraut hätte. Er setzt voll auf die sechs Saiten der Gitarre(n). Und er legt los wie eine ungebändigte, ratternde Maschine, aus der Menschenstimmen hinausplärren in eine fremde, sonderbare, bizarre Welt. Es ist, ja wirklich, Punk. Oder wenigstens die Illusion von Punk: Denn Moby wäre nicht er selbst, würde er nicht immer wieder kleine Untiefen und hintergründige Bremsen einbauen, die beweisen sollen, daß alles, was er macht, letztlich artifiziell ist. Daß er dann und wann – vor allem zum Ende des Albums hin – auf die Ebene des atmosphärischen Wohlklangs ausweicht und dann sogar klingt wie die elektronischen Heroen der 70er à la Tangerine Dream, sei ihm unbenommen. Moby darf das, er allein. Denn mit seinem neuen Album hat er bewiesen, daß ein wahrer Vertreter der 90er – und mithin des Sample-Jahrzehnts – durchaus auch selbst flexibel und überraschend sein darf. Und daß nach wie vor keiner seine Gitarren zu verkaufen braucht. Wenigstens nicht unter Wert.
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