Modern Lovers – Rock’n‘ Roll With The Modern Lovers
Wenn es je einen Anti-Star gegeben hat, dann ist Jonathan Richman einer. Sein akustischer Schabernack schafft mich immer wieder aufs neue. „Naivität oder Nonsens?“ hatte ich mich nach Anhören der ersten Modern-Lovers-Langrille gefragt (ME 9/77), „Durchblick oder Dreistigkeit?“ nach der zweiten, und jetzt rätsele ich schon wieder, ob die dritte nun ein Kalauer oder ein Kunstwerk ist. Die Ausgeflipptheit fängt schließlich schon beim Titel an. „Halt!“ muß man da nämlich allen gutgläubigen Lesern nachrufen, die oben was von Rock’n‘ Roll entziffert, unten die Sterne gezählt und sich schon auf den Weg zum nächsten Plattenladen gemacht haben. Halt, liebe Freunde, diese Scheibe hat mit R & R soviel zu tun wie Yes mit Punk-Rock. Nämlich nichts. Da gibt es ausschließlich akustische Instrumente: exzentrisches Gitarrengeklimper,rhythmisches Blechgeschepper, Jonathans Stimme, stets hart am Überkippen in die Schräge, unterlegt mit Kontrabaß und Backgroundchor. Letzterer brummt unablässig babschi-babschi-bab und bringt die spartanische Musik-Mixtur mit Händeklatschen und Fingerschnippen doch noch zum Swingen. Aber genau das ist es: die naiv-augenzwinkernden, exotischen Minikompositionen der Modern Lovers haben soviel rührseligen Charme, versprühen soviel lockere Launigkeit, daß mangelnde Perfektion und Kaschemmen-Akustik eher zum Markenzeichen als zum Makel werden.
Und so swingt man denn mit Herrn Richman rund um den Globus: von den Gestaden Chinas („Kwai Ti Feng“) über die Südamerikas („South American Folk Song“) und der Karibik („Coomyah“) bis zum Fuß der Pyramiden, woselbst man – unglaublich aber wahr den ersten „Egyptian Reggae“ geboten bekommt. Der hat mit Ägypten und Jamaika nun wieder so wenig zu tun, daß die ob ihres kruden Humors bekannten Briten nicht anders konnten, als diese Singleauskopplung jüngst in die Top Twenty hineinzukaufen. Aber auch auf nicht-geographischem Sektor gibt’s allerlei überdrehten Unfug: rührend-naive Liebeserklärungen an den Eismann, den Sommermorgen und das neue Auto, ein herziges Kinderlied über die Räder vom städtischen Autobus und als abschließende Krönung des musikalischen Kuriositäten-Kabinetts einen verhohnepipelten Gospelsong („Angels Watching Over Me“) – da kommt’s so knüppeldick, daß man sich den Schmalz gleich löffelweise wieder aus den Ohren pulen muß… Wer Originalität über Perfektion stellt seine eingeschliffenen Hörgewohnheiten mit Wonne düpieren läßt (weil er das Schmunzeln noch nicht verlernt hat) er möge es getrost mit Herrn Richman versuchen. Es könnte Liebe auf den ersten Blick sein.
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