Motörhead – Stone Deaf Forever

Als ob Lemmy Kilmister das Musikmagazin Ihres Vertrauens lesen würde, als ob er die permanenten wie penetranten Versuche des Autors, Motorhead als Punk-Band zu positionieren (zuletzt vor elf Seiten) rechtfertigt, lässt er sich im Booklet der 5-CD-Box wie folgt zitieren:

„Ich wollte die britische Version von MC5 aufziehen, so einfach war das.“ Das war im Jahr 1975. Lemmy (bürgerlich: Ian Fraser Kilmister] wurde gerade als Bassist bei Hawkwind gefeuert, weil er an der amerikanisch-kanadischen Grenze mit Drogen erwischt worden war. Vier Jahre vorher war der zum Bass konvertierte Gitarrist, der in den Sechzigern in der obskuren Cover-Band The Rocking Vicars gespielt hatte und später kurzzeitig Roadie bei Jimi Hendrix war, bei den Spacerockern eingestiegen. Rechtzeitig, um bei deren einzigem Hit „Silver Machine“ mitzumachen. Die erste Motörhead-Besetzung mit Lemmy (bg, voc), Ex-Pink-Fairies-Gitarrist Larry Wallis und Schlagzeuger Lucas Fox nahm ein Album auf, das zunächst unveröffentlicht blieb, allerdings vier Jahre später unter dem Namen on parole auf den Markt kam. Das Line-up hielt nicht lange. Fox verließ die Band. Für ihn kam Phil „Philthy Animal“ Taylor. Wallis ging, „Fast“ Eddie Clarke kam. Es war die „klassische“ Besetzung, die Alben Wie BOMBER, OVERKILL Und ACE OF SPADES aufnahm. Die erste Single „White Line Fever“ erschien auf dem Punk-/Wave-Label Stiff (Elvis Costello. lan Dury et al.).

„Wir sind mit Punks aufgetreten „, erzählt Lemmy im Booklet und erinnert sich an einen Auftritt, bei dem Motörhead zwischen The Damned und The Adverts auf dem Billing standen. „The Damned wurden von unseren Fans mit Flaschen beworfen, wir wurden mit Flaschen von ihren Fans beworfen, und The Adverts kriegten Flaschen von allen ab.“ Danach kamen die Alben-Klassiker, das Live-Album no sleep til Hammersmith, die achtziger Jahre, die neunziger, die nuller, gute Alben, schlechte Alben, Besetzungswechsel. Die 5-CD-Box stone deaf forever erzählt Label-übergreifend mit 99 Tracks die ganze Geschichte der Band – von 1975 (sie beginnt folgerichtig mit der Hawkwind-Version des namenstiftenden Songs „Motorhead“] bis zum Jahr 2003 (dem Motörhead-Cover von Hawkwinds „Silver Machine“, von einem Bootleg gebootlegt) – und enthält zusätzlich knapp 20 unveröffentlichte Songs. BBC-Sessions (John Peel und David Jensen), B-Seiten, Bootleg- und Live-Tracks (die komplette fünfte CD). Herausragend: die „Spoken Word“-Version von „Orgasmotron.“ Die Genealogie einer Band – von den punkigen Garagenrockern mit Sinn für schlichte Melodien bis zum archaischen Hochgeschwindigkeits-Hard-Rock’n’Roll, ohne den wahrscheinlich alle Metal-Bands heute wie Iron Maiden klingen würden.