Mott The Hoople – Live – 30th Anniversary Edition
Mit einem Sitvesterkanonenschlag ist das genauso: Erst ist er ein ziemlich nutzloses Ding, das nach nichts aussieht, dann ist er Fetzen und Asche, noch unansehnlicher, komplett nutzlos, und stinkt. Der kurze Zeitraum zwischen beiden Zuständen ist der interessante: Da ist was los! Zum Beispiel Mott The Hoople: Dass man so mal aussehen durfte, lässt mich im Nachhinein Verständnis für meine Oma aufbringen, die 1973 mit bleichem Gesicht und gesträubten Haaren vor dem Fernseher saß, wann immer eine Pop-Sendung lief. Dass man so nicht nur aussehen, sondern auch auf Bühnen rumtoben und „The Golden Age Of Rock’n’Roll“ feiern durfte, lässt mich den Nostalgie-Regler um so höher drehen, mindestens auf elf: „I don’t care what people say!“ -„All The Young Dudes“, das sind wir, Mann! „Guy kam rein und sagte: Ich wein, was wir tun müssen! Wir müssen das Studio anzünden. Das wird uns zu größeren Höhenflügen inspirieren! “ – so umschreibt lan Hunter ziemlich treffend den kreativen Prozess seiner Band. Guy Stevens war, wohlgemerkt, kein besonders ausgeflippter Hoople-Musiker, sondern der Produzent. So waren die Siebziger: Man stakste auf stelzenhohen Absätzen in glitzernden, spiegelnden, leuchtenden Gewändern durch eine tobende Szene, die Haare gebauscht, die Nasen gebläht, die Leber gelähmt, die Verstärker auf Anschlag. Jubelte, schrie, tirilierte über die wichtigsten Dinge der Welt, die man in drei Minuten Pop-Boogie-Krach erschöpfend erklären konnte. Mott The Hoople sahen selbst für damalige Verhältnisse verboten aus, und wenn sie eine Bühne betraten, brach das los, was der Engländer „mayhem“ nennt, oder „pandemonium“. Das ’74er Konzert im Hammersmith Odeon die Hälfte dieses auf Vinyl damals verstümmelt und kastriert erschienenen Doppel-Böllers – war nicht nur hart an der Grenze von Anarchie und Ausnahmezustand, sondern knapp darüber. Näheres im Booklet, zum Staunen, Lachen und Gänsehautkriegen. Die kriegt man auch beim Hören, permanent und heftig. Man möchte die Bude zertrümmern vor Freude und den Biedermännern die Zunge rausstrecken, wären sie nicht sowieso geflüchtet. So war Pop mal, bevor er ein Produkt wurde, und so waren Mott The Hoople: eine hemmungslos rockende, keine Übertreibung scheuende, die eigenen technischen Fähigkeiten gnadenlos überschätzende, fürchterlich sympathische Band, die wie kaum eine andere die Zeit verkörperte, in der sie explodierte: die wilden Tage der „Crash Street Kids“.
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