Ms Dynamite – A Little Deeper

Es ist diese Zeile, die wohl schon so manchem Video-Konsumenten die Fernbedienung aus der Hand geschlagen hat: „Tell me how many Africans died for the baguettes on your Rolex? Tatsächlich. Da predigt eine 21-jährige Londoner Rapperin und Sängerin mit dem bürgerlichen Namen Niomi McLean ihren teuer gestylten Brüdern, es brauche mehr als das übliche MTV-Clip-Zubehör, um ihrzu imponieren. Ist das die Rückkehr der Soul-Message in die Clubmusik? „It Takes More“ titelt nicht nur Ms. Dynamites erster Singlehit, es könnte auch den musikalischen Anspruch ihres gesamten Debütalbums umschreiben: Da ertönt ein eckiges Akkordeonriff aus einem alten Tango. Und kaum haben wir uns auf einem romantischen Kutter eingeschifft, brechen digitale Two-Step-Rhythmen wie mannshohe Wellenbrecher über das Idyll herein. Ms Dynamite lässt die Bässe rollen. Und wetzt dazu ihre lyrischen Messer. „Tell me when. where and who wants to know, how you do your hoes?“ Seit Missy Elliot ist A LITTLE DEEPER der gewagteste Wurf aus musikalischer Innovation und Provokation, der unsere Tanzböden erschüttert. Niomi hat als Teenager im Norden Londons offensichtlich die Vibes und Botschaften der sie umgebenden Roots-Reggae- und Soul-Musik tief eingesogen, um als „junge schwarze Frau in dieser verrückten Welt“ ihre Sicht der Dinge zu erklären. Einen Studienplatz in Anthropologie soll sie als Teenager ausgeschlagen haben. Lieber wollte sie „auf das Dach irgendeines Gebäudes klettern und mir die Lunge aus dem Leib schreien“. Und was da aus ihrem Munde kommt, wiegt nicht leicht: Gewalt unter Schwarzen, Drogen, Sex… Ins Rollen geraten ihre Songs erst durch die ambitionierte Produktion. In Miami, New York und Jamaika haben dazu sowohl bewährte HipHop-Produzenten wie Salaam Remi INas. Fugeesl als auch das Reggae-Duo Tony and Dave Kelly Hand angelegt. Und zwischen radiotauglichen Mitschnipp-Melodien a la „Dy-na-mi-tee“ oder dem von orientalischen Synthieschlieren umnebelten Downtempo-Song „Afraid 2 Fly“ poltert immer wieder ein von digitalen Fiepsern und Rülpsern interpunktierter Elektrobeat. Punk für die Club-People des 21. Jahrhunderts!

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