Neil Young – Comes A Time

Neil Young, die alte Bratsche, hat die Tränen zurückgehalten. Oder humaner und dem Künstler angemessener ausgedrückt: Der Blick ins eigene Innere hat unser Folk- und Country-Rock-Genie diesmal längst nicht so stark in Melancholie und Trauer gestürzt, wie das bei früheren Alben der Fall war. Und so hat er ein in sich stimmiges, durchdachtes Plättchen herausgebracht, dessen Songs sanft dahindriften und kaum jemals erregende Akzente offenbaren. Youngs Meisterwerk „Harvest“ läßt sich am ehesten neben „Comes A Time“ stellen, obwohl hier ein einzigartiger Song wie „Heart Of Gold“ nicht auftaucht. Immerhin zählen aber Titel wie „Goin‘ Back“ und „Comes A Time“ zu den besten Songs, die Neil Young bislang eingespielt hat. Es geht ihm also besser, unserem amerikanischen Sorgenkind, was sich auch in der Feinfühligkeit zeigt, mit der es auf „Comes A Time“ akustische Instrumente in den Vordergrund rückt und dennoch einen vollen Sound erreicht.

Nebenbei bemerkt: Es ist schon auffällig, wie viele der alten Haudegen, die seit wahren Ewigkeiten in der Rockmusik ihren erhöhten Stammplatz haben, in diesem Jahr mit echt guten LPs überraschten. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen man alle zwölf Monate einen Batzen Geld von der Plattenfirma abholte, ein oder zwei oder zehn berühmte Studios buchte, zwanzig renommierte Session-Leute um sich scharte und dennoch eine höchst mittelmäßige Platte produzierte. Es scheint, als hätten neue Trends, also besonders New Wave, Reggae und natürlich auch die immens gestiegenen Umsätze auf dem Plattenmarkt überall eingemottete Kreativität geweckt. Wie wär’s also, wenn auf dem Plattencover eines Superstars mal folgender kleiner Hinweis auftauchen würde: „Thanks to Johnny Rotten and Bob Marley!“…