Novalis – Augenblicke
Wer auf NDR II Nachrichten hören will und nicht exakt zur vollen Stunde einschaltet, wird seit 1.1.81 mit schwachsinniger Werbung bekleckert. Zum Beispiel mit Hinweisen auf „Die Blaue Lagune“, einen Film, der die Inkarnation von Öl, Schmalz, Sülze und Quatsch sein muß. „Hörst du auch die Wellen singen… Ihre Lieder treiben an den Strand …Lichter spiegeln sich im Wasser… Zärtlich in den Armen der Nacht … Blauschwarze Stille streut einen Zauber…“ Halt, halt, liebe Freunde der Schwadenlyrik, jetzt sind wir schon mitten in einen Novalis-Text gerutscht. So fließend sind da die Übergänge. Trunkene Gefühle tanzen im Rausch“, „Eine unangreifbare Weite“ „Es riecht nach Muscheln und Tang“, und so geht das (neben harmlosen Instrumentals) von Lied zu Lied. Als hatte wer während eines Courths-Maler-Films fuffzig Camel ohne gequalmt, dabei noch Georg Trakl gelesen und aus Versehen ein Fläschchen Irischen Frühlings an den Hals gesetzt. Dann, aus aufgeblähtem Kopf: der Super-Rülpser mit obigen Resultaten. Das ist peinlich. Zeit also für einen groben Schnitt.
So denke ich jedenfalls als jemand, der noch nie etwas mit dieser Gruppe zu tun gehabt hat. Die sollen ja die großen Absahner bei Rock-Wahlen und in Konzerten sein. Acht Songs später bin ich informiert und setze Grobschnitt ebenfalls auf Rang eins! Sparte: totale Gesichtslosigkeit. Die sind so glatt, daß man kaum einhaken kann. In jedem Fall – bitte wörtlich nehmen – wabert es, röhrt oder pluppt. Künstlichkeit feiert ein Fest, einen „Space-Rider“ gibt es (den UFO und Hawkwind schon vor zehn Jahren verschrottet haben) und wir alle werden gefragt: „What is the sense of each and everyone?“ Sowas steht auch immer hinten auf Edeka-Kalendern zu Weihnachten. Aber die Band kann ja ganz, ganz anders, z.B. „WnTroouuuummmmmmmmmmmmmmmm…“ (jawoll, mit 16 „m“!!). Das große Plus dieser LP? Sie wird auch in zwanzig Jahren interessant sein. Denn auch dann werden wir noch die „neuen musikalischen Akzente“ suchen, die uns das beiliegende Info verspricht. Und versprochen ist versprochen! Es klingelt. Ich schrecke hoch und denke mit Novalis: „Vielleicht war alles nur ein böser Traum.“
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