Oldies

Einen offensichtlichen Oldies-Höhepunkt gibt’s diesen Monat nicht, wohl aber Stoff in Hülle und Fülle. Stürzen wir uns ins Getümmel:

Wer immer noch glaubt, Soul sei in den sechziger Jahren im wesentlichen eine Sache von Tamla Motown, Atlantic und Stax gewesen, sollte sich ein Wochenende mit den Produkten des englischen Labels Kent in Klausur begeben. Besonders die Sampler haben’s in sich. ON THE SOUL SIDE (Kent 006), FLOOR SHAKERS (Kent 007), SOUL CLASS OF 66 (Kent 011), MOVING ON UP (Kent 013) und SHOES (Kent 015) bringen teilweise unglaublich heiße Tracks von sehr bekannten (O‘ Jays, Bobby Bland, Four Tops und George Clinton) bis sehr unbekannten (Mitchell Braithwaite, Ortheia Barnes, Sam & Bill und ein Dutzend andere) Interpreten, wobei es auch für Experten noch viel zu entdecken gibt, derweil sich Neulinge die Füße glühend tanzen können. Gesamtbewertung (4).

Ähnliches gilt auch für den Sampler RED HOT & BLUE (Charly CRB 1061) mit Interpreten wie Rufus Thomas, Earl Hooker und Doctor Ross (4).

Zwei Sonderformen der Popmusik sind die Sammelplatten JUMP CHILDREN (Charly CRB 1060) hier kommen die schwarzen Vokalgruppen Orioles, Moonglows und Flamingos mit ihrem Fifties-Samt zu Wort – und WHERE THE GIRLS ARE (Kent 016) – diesmal geht’s natürlich um die berühmten Girl-Groups – vorbehalten. Auch hier zeigt das Barometer eine sichere: (4).

Noch mehr Schwarze: COME TO ME (Charly CRB 1077) bringt Aufnahmen vom Otis Redding der Jahre 1962-65. Wie sagt Volkes Stimme so schön? „Lieber ein erstklassiger Toter als drittklassige Lebende“. In der Tat, Otis verdient sich auch heute noch eine (5).

Alle Kent- und Charly-Platten werden vom Teldec Import Service (TIS) importiert.

Keine Atempause bei den Schwarzen: Major Lance ist mit MONKEY TIME (Edsel ED 124/ Wishbone) im Rennen. Kein Geringerer als Curtis Mayfield schrieb ihm die Masse seiner Stücke, und Lance konnte so manche Aufnahme zum Hit singen (3).

Das Schmuse-Soul-Trio The Delfonics legt noch einmal THE BEST OF THE DELFO-NICS (Arista 804 439/Ariola Import) vor. Gute Kost für späte Stunden (3).

Neue Abteilung: Weißer Blues. Gary Farr & The T-Bones werden mit DEM T-BONES (Eva 12041) in Erinnerung gebracht. Vor 20 Jahren blieben sie zweite Wahl, hier wird klar weswegen: zaghafte bis lausige Produktion. Trotz hörbarer musikalischer Qualitäten daher nur eine:(3).

Nicht ganz einsichtig ist die Herausgabe der Platte AVEC ERIC CLAPTON (Eva 12040) der Yardbirds. Neues wird nicht geboten, alle Titel sind von anderen Editionen her bekannt. Allerdings ist das Material erstklassig (5).

Sehr viel sinnvoller ist dagegen die Neuauflage von GOOD GEAR (Lolita 5015) der Count Bishops, denn diese allererste LP der spätsiebziger R&B-Briten erschien damals nur in Holland. Rotzfreche Klänge zwischen Pub und Garage (4). Die Eva- und Lolita-LPs werden von Rimpo importiert.

Daddy Alexis Korner mußte wohl erst das Zeitliche segnen, ehe R&B FROM THE MARQUEE (Decca Ace of Clubs ACL 1130/TIS) von seiner frühsechziger Band Blues Incorporated erneut das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Zusammen mit Cyril Davies, Dick Heckstall-Smith und John Baldry intoniert Alexis hier britischen Urzellen-Blues. Aus heutiger Sicht mit eher amateurhafter Begeisterung, aber historisch sind die Aufnahmen von unschätzbarem Wert. (4).

Das noch junge amerikanische Blues-Wunderkind Andy J. Forest spielte vor seiner Zeit mit den Snapshots mit der Band The Stumblers (alles italienische Musiker!) die LP THE LIST (Italian Record Exit 904, über Hot Wax, Postfach 1212, 288 Brake) ein, die ihn bereits als Meister der blauen Töne ausweist. (4).

Es folgt ein gesundes Mischprogramm. Rony Loney & The Phantom Movers legen erneut ihre PHANTOM TRACKS (Lolita 5016/ Rimpo) vor. Gegenüber dem 1980er Original wurden mit „Hanky Panky“ und „With A Girl Like You“ zwei Bonus-Tracks addiert. Famose Westcoastmusik. (5).

Schweden-Beat der Sixties bringen Jonny Vallons And The Deejays mit NON-STOP SHOW AT KINGSIDE (Rainbow RMLP 2007) und die Hepstars mit ON STAGE (Rainbow RMLP 2006 beide Rimpo). Während Vallons doch sehr nach einem skandinavischen Herman Hermit klingt (2), gehen die Hep Stars teilweise gekonnt zur Sache (3).

Hauptsächlich ansprechende Popmusik für die mit ihm älter gewordenen erwachsenen Fans bringt der verstorbene Billy Fury mit THE MISSING YEARS 1967-1980 (PRT BUSLP 1003/ 804 551 Ariola Import). Eine Mischung aus Cliff Richard und Scott Walker (3).

Das totale Gegenteil zu diesen eher harmlosen Klängen ist auf den beiden LPs der britischen Psycho-Rockband High Tide – SEA SHANTIES und HIGH TIDE (Psycho 26 und 27/beide über Rimpo und Wishbone) – zu hören. Simon House spielt eine höllische Geige – und Tony Hill entlockt der Gitarre buchstäblich ungehörten Lärm. Mit diesen Tönen kann man, laut genug gespielt, Ratten aus dem Keller vertreiben (5).

Vom Keller in die Garage: Chuck Conlon, der Anführer der Nightcrawlers, war ein Byrds-Turtles-Beau Brummels-Freak. Das hört man überdeutlich auf THE LITTLE BLACK EGG (Eva 12042/Rimpo), einer um drei Singles ergänzten Neuauflage ihres obskuren Albums. Neben einigem Durchschnitt finden sich auch geradezu geniale Tracks (4).

Eher ein, freilich sympathischer, Garagen-Normalfall ist die LP LO-VE IS NOT THE SAME (Resurrection FL 1110/Rimpo) der New England-Band The Ma‘ Pennys. Neben einem eigenen Stück erleben wir teilweise biedere, teilweise ausgezeichnete Coverversionen von unschlagbaren Hits, u.a. „Get Off Of My Cloud“, „Empty Heart“, „Hang On Sloopy“ und – unvermeidbar – = „Gloria“. Im Schnitt eine knappe: (4).

Auf RIOT ON SUNSET STRIP (Eva 12043/Rimpo) der Standells hat sich mit „Soul Drippin“ ein wahr-» haft seltener Titel „gemogelt“. Ansonsten das allen einschlägigen Fans bestens bekannte, hierdurch aber nicht schlechter werdende Material dieser Garagentruppe der Spitzenklasse (5). :

Eine „moderne“ Garagenband findet auch einen Hauch Anerkennung. Gemeint sind die schmählich unterbewerteten Soft Boys, deren LP A CAN OF BEES (TWO CRABS CLAW1001 /IMS und Rimpo) erneut zugänglich gemacht wird. Aber, die Neuauflage im Originalcover entspricht weder dem englischen Original mit der gleichen Bestellnummern noch der deutschen Ausgabe (Metronome 0060.301)!! Auf der B-Seite finden sich drei andere Titel: „Fatman’s Son’/ „Anglepoise Lamp“ (einst die Radar ADA 8-Single) und „Ugly Nora“ (soweit ich feststellen konnte, bislang unveröffentlicht). Obwohl diese Editionsweise nicht die beste ist: (5).

Dank gebührt dem japanischen Qualitätsbewußtsein, denn es sorgt nun schon seit Jahren dafür, daß die süperben Blues Project-LPs nicht der Vergessenheit anheimfallen, Auf PROJECTIONS wird in diesem Heft in der ROCK HISTORY-Rubrik hingewiesen. Aber auch LIVE AT TOWN HALL (Verve Forcast 23 MM 0128), LIVE AT THE CAFE AU GO GO (Verve Folkways 23 MM 0194)beide (5) -, und die mit einer späten Besetzung entstandene LP PLANNED OBSOLENCE (4) (Verve Forecast 23 MM 0129/ alle IMS) haben’s verdient, permanent auf dem Plattenteller unvoreingenommener Musikhörer zu landen.