Olli Schulz & Der Hund Marie
Warten auf den Bumerang
Die Pfeifen spatzen es von den Dächern: Olli Schulz macht jetzt ernsthafte Lieder. Mit Gedankengewicht, Verve und immer noch mehr Witz als alle anderen.
Zwei Neuigkeiten. Erstens: Olli Schulz ist nicht mehr beim Grand Hotel van Cleef. Schlimm? Nein. Eine große Plattenfirma hat ein üppiges Budget geboten, das das ganze fette Streicherprogramm, von dem Herr Schulz schon lange geträumt hat, in greifbare Nähe rückte, und dieser Verlockung war nicht zu widerstehen. Wenn demnächst die kommerzielle Plattenindustrie zusammenbricht (womit Olli Schulz fest rechnet), darf er zum Grand Hotel zurückkehren. Ist fest ausgemacht. Zweitens-, Olli Schulz macht keine Gags mehr. Schlimm? Nein. Es war eh nie gerechtfertigt, in ihm nur den Spaßvogel zu sehen, und jetzt fand Olli Schulz in der Welt eben mal mehr Grund, sich zu sorgen, als Witze zu reißen. Also tut er im grandiosen „In jede Richtung“ das, wofür Blumfeld sich mittlerweile zu schade sind: Er singt gegen die Gleichgültigkeit an und ruft auf zur Selbstermächtigung des Individuums gegen die zementierte Macht der Dummheit. Er gibt Artverwandtes: The Strokes Is This II (2001) I Death Cab For Cutie Transatlanticism (2003) den Menschen, die er da draußen sieht, ihre Geschichten zurück und berichtet liebevoll von ihren Träumen, ihrem Neid, ihrem Scheitern, und wie sie sich selbst im Weg stehen. Er singt seine krummen Lieder, mit seinem Hund Marie, dem unschätzbaren Max Martin Schröder, und den zu echten Bandmitgliedern beförderten Dennis Becker und Andre Frahm im Rücken, und erzählt davon, wie das Leben einen beißt. Es geht um den Vater, den er nie kannte, um Narben und – im famosen Elektrostück „Keiner hier bewegt sich“ („bei dem Beat kann Pharrell kacken gehen“, meint Olli und hat verdammt recht) – um das melancholische Ende eines Banküberfalls. Wenn Schulz zum Schluss – in „Kleine Meise, großes Herz“ – in Mokassins und Bademantel den Verkehr regelt, gönnt er sich zuletzt doch noch einen befreienden Lacher. Weil das Leben einen dann doch gelegentlich küsst.
VÖ: 17.11.