Pearl Jam – Binaura
Pearl Jam wirken immer so ein bisschen wie die beleidigten Leberwürste des Alternative Rock. In einer Zeit, in der Jungvolk wie Limp Bizkit und Slipknot schwer die Sitten baumeln lassen, Kurt Cobains Ex-Drummer Dave Grohl sich als breit grinsender und grätschender Rocker präsentiert und der Rest der „Sound Of Seattle“-Giganten irgendwo mit einer Nadel im Arm rumdöst, wirken die Aufrechten um Eddie Vedder in ihrer heiligen Verstocktheit immer mehr wie ein Anachronismus, der sogar Brüder im „no bullshit“-Gedanken wie Rage Aganist The Machine wie schillernde Popstars dastehen lässt. Ist ja auch gut, wenn es noch ein paar Querköpfe gibt. Aber so richtig Freude kommt dabei eben selten auf und neue Pearl Jam-Alben erwartet man denn auch mit einer eigentümlichen Schwermut: bei aller Liebe-anstrengend wird’s wieder werden. „Nothing As It Seems“, die zäh brütende erste Single vom sechsten Studio-Album BINAURAL, führt da aber dankenswerterweise etwas auf die falsche Fährte: Ob’s am neuen Schlagzeuger Matt Cameron (Ex-Soundgarden) liegt, der neben einem ausgesprochen deftigen Anschlag vielleicht auch etwas Humor mitgebracht hat, oder an der tüfteligen, bisweilen fast verspielten Produktion von Tchad Blake (Tom Waits, Soul Coughing, Sheryl Crow), der Brendan O’Brien an den Reglern weitgehend abgelöst hat. Jedenfalls weht auf BINAURAL für spröde Pearl Jam-Verhältnisse ein regelrecht frisches Lufthäuchlein. Man zuckt fast zusammen, wenn der Opener „Breakerfall“ nach einem veritablen The Who-Auftakt frisch in Dur(!!!)-Harmonien losrattert. Neben den typisch trocken polternden Mittelklasserockern („God’s Dice“, „Grievance“, „Light Years“ oder das vertrackte „Evacuation“, ein Vedder-Arrangement eines Cameron-Songs), in denen sich Eddie Vedder mit warm brummelnder bis heiser brüllender (leider zu selten) Stimme kryptisch über Welt- und Beziehungsängste und die marode US-Gesellschaft verbreitet, hat’s dann richtig Herzerfrischendes („Thin Air“, ein Wilcoeskes Liebeslied, das atmosphärische „Of The Girl“ mit Wummerbass, Conga-Groove und klingelnder 12-Saitiger, beide aus der Feder von Stone Gossard). Und ein paar Songs, wie man sie so von Pearl Jam noch nicht gehört hat:“Rival“ist ein charmant besoffen scheppernder, in Ansätzen sarkastischer Quasi-Walzer („this nation’s about to explode“, hurra) und in „Soon Forget“ singt uns Eddie beinahe leichtfüßig und nur zur Ukeleie die Mär vom Yuppie, dem das schnöde Geld kein Glück bringt, bevor „Parting Ways“ noch mal mit dräuenden Gitarren und hübsch melodramatischem Cello auffährt. Gute Platte, kein Ouantensprung. Aber erwartet man den noch?
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