Pearl Jam Five Against One :: Lebenshilfe

(Sony Music 474549) Das Kreuz der zweiten Platte wiegt besonders schwer, wenn man von der ersten schnell mal über drei Millionen Stück verkauft hat. Und außerdem Aushängeschild eines Trends vom Vorjahr ist. Als Pearl Jam 1992 langsam gewahr wurde, daß sie als Band tatsächlich funktionieren, waren sie schon „the next big thing from Seattle“ und ihr kreativer Schnellschuß, das Debüt „Ten“ tummelte sich in Amerikas oberen Hitparadenplätzen. Ein Jahr auf Tour zur verspäteten gegenseitigen Akklimatisation der Bandmitglieder hat aus Pearl Jam mittlerweile eine musikalische Einheit geschweißt, die sich kaum besser anhören kann als auf ihrem Zweitwerk „Five Against One“. Eine Rockplatte gleicher Komplexität und Intensität suchte man dieses Jahr bislang vergebens, die spontane Energie, die seltene Magie, die Eddie Vedder und seine Mitstreiter in keinem Gespräch über ihre Band vergessen zu erwähnen, hat ihre Kraft mit wachsender Erfahrung vervielfacht. Die gefühlvolle Dimension, die Portion alltäglicher Tragik, die Pearl Jam immer schon gekonnt in trokkene Gitarren-Riffs kleidete und die wohl maßgeblich für die intime Verehrung, die ihnen ihre Fans entgegenbringen, verantwortlich ist, findet sich auch auf „Five Against One“. Doch im Gegensatz zum Pearl Jam-Debut „Ten“, das mit wachsenden Verschleiß einen etwas betulichen Charakter bekam, zeigt der Nachfolger dazu bisher nie gekannte Facetten der Band. Die bösartige Aggressivität, ja fast schon Gewalttätigkeit, die ein Stück wie „Blood“ vorantreibt, sprengt überraschend und wohltuend den Ruch der friedfertigen Love & Peace-Attitüde, der der Band bisweilen anhängt. „Go* und „Animal“, die beiden Opener, fegen extremst druckvoll jeden vorschnellen Verdacht auf Kompromißbereitschaft vom Tisch.

Doch natürlich ist „Five Against One“ auch ein Album der großen Emotionen, der herzzerreißenden Balladen, wie „Indifference“ oder „Dissident“, die getragen von der soul-artigen Stimme eines Eddie Vedder fast therapeutische Wirkung haben. Denn ungeachtet aller Härte, Wut, Aggression oder Trauer, die Pearl Jam derzeit wie kaum eine andere Band in Töne fassen, ist die Energie, die von ihrer Musik ausgeht eine uneingeschränkt positive. Vielleicht klischeebeladen wie ein Sonnenaufgang im Spätherbst, aber immer bestens geeignet ein vehementes Gefühl von ,Jetzt erst recht!‘ zu provozieren. Die Mittel, derer sie sich dazu bedienen, sind keine neuen: gängige Riffs, Wah-Wah-Gitarren und ein bißchen Groove, doch die Spannung und die Dynamik, mit der Pearl Jam die üblichen Zutaten zu Songs verarbeiten, die Steigerung die ein Stück wie „Rearviewmirror“ bis zum bis zum absoluten Hochgefühl des Refrains erfährt, ist Pearl Jom-typisch und einzigartig. Oder einfach magisch.