Pearl Jam – Riot Act :: Veddernwirtschaft

Als so ziemlich letzte Überlebende der, wenn man so will, first wave of alternative rock, der Klasse von 1992, sitzen Pearl Jam in einer kleinen Elder-Statesmen-Loge und blicken hinab auf die breitbeinigen Creeds, Nickelbacks, Three Doors Downs und wie die Hausierer des eingeölten Pathos alle heißen, die im Jahr 2002 „den“ Rock beherrschen. Und denen sie den weg bereitet haben mögen, mit denen sie sich aber fairerweise nicht vergleichen lassen müssen. Gehen Pearl Jam doch seit langem den entgegengesetzten Weg ihrer erbgutreduzierten, aktuellen Klone und machen alle zwei Jahre eines dieser Alben, die von mal zu mal störrischer werden, weniger Effekthascherei brauchen, immer erstmal so „solide“ klingen, als sei der Ausdruck eigens für sie erfunden worden und dann anfangen zu funkeln und sich zu entfalten. Mit RIOT ACT ist es so einfach wie schon lange nicht mehr, Pearl Jam gern zu haben – wie weit das am wohltuenden Kontrast zu den besagten Ölmännern liegt, sei dahingestellt. Eine unprätentiöse Vielfalt herrscht vor: In drahtig-schroffen Rockern, die gern mal vom ausgetretenen Vierviertel-Takt wegstaksen („Can’t Keep“, „Save You“, das rhythmisch vertrickste „Get Right“, „1/2 Full“), knirschen trockene Crazy-Horse-Gitarren, Mike McCready und Stone Gossard lassen weitgehend die Füße von den Effektpedalen – no powerchords, please. Dankeschön. Eddie Vedder, mit Honig im Bariton, greint und brüllt und croont im akustischen „Thumbing My Way“, dem Harmonium-orgelnden „Love Boat Captain“, dem beinahe barjazzigen „All Or None“ und rezitiert Kryptisch-Politisches im schrägen „Bushleaguer“. Das sehr tolle „Cropduster“ kommt mit Country-Harmoniegesang im Refrain, „You Are“ wummert spukigindustriell daher und „Green Disease“ scheint die Strokes gehört zu haben. RIOT ACT ist eine – flüstern bitte – erwachsene Rockplatte zwischen Kontemplation und milder Extase. Und ohne überschüssiges Testosteron. Gut möglich, dass Pearl Jam noch nie so wertvoll waren wie heute.

www.pearljam.com