Penetration – Coming Up For Air
Auch das zweite Album der englischen New Wave-Formation verlangt dem Hörer viel Geduld ab. Penetration läßt sich in keine der beiden grossen Gruppen von derzeitigen New Wave-Bands einordnen, nicht in die direkten, ungeschliffenen Drei-Akkord-Rokker und auch nicht in die der artifiziellen Technokraten. Am ehesten könnte man sie als geistige Kinder des frühen Acid-Rocks bezeichnen, als eine zeitgenössische Verbindung aus It’s A Beautiful Day und Curved Air mit einem Schuß aggressiver Fotheringay und einer Prise besänftigter X-Ray Spex. Denn all diese Gesangsmerkmale finden sich in Pauline Murray vereinigt.
Noch dichter als auf „Moving Targets“ der Sound, noch verwobener die Arrangements, noch mehr technische Feinheiten, die auf „Coming Up For Air“ von einer klaren Melodieführung ablenken – bewußte Klangirreführung durch Klangfülle. Noch jetzt, nach mehrmaligem Anhören, ist mir das Album in vieler Hinsicht zu aufgeladen, hektisch und anstrengend – doch eines läßt sich nicht verleugnen: dahinter steckt System. Gitarrenduelle zwischen Fred Purser und Neale Floyd und präzise Schlagzeugarbeit, etwa auf „Last Saving Grace“ spielen in diesem satten und undurchdringlichen Sound eine wesentliche Rolle, extremer Wechsel der Dynamik und ekstatischer, fast hymnenhafter Gesang verstärken noch das Gefühl von Klaustrophobie. Schleppende, elegische und hingeflüsterte Kompositionen, etwa „She Is The Slave“ und „Challenge“ wechseln ab mit überdrehten, verknappten und hysterischen Stücken, etwa „Shout About The Noise“ und „Come Into The Open“ (die neue Single von Penetration). Die Texte, leider nicht abgedruckt, vermitteln durch Songtitel und verständliche Fetzen, wie auf „Killed In The Rush“, „Party’s Over“ oder „New Recruit“, ein ähnlich erschöpfendes Wechselbad zwischen einer schizophrenen Anziehung und Ablehnung der gewohnten Norm. Und passend zu diesen lyrischen Totengesängen auch das Cover, ganz in der augenblicklichen Vorliebe der Engländer für Expressionismus a la Edvard Munch gehalten. Mit Sicherheit kein einfaches und immer angenehmes Album, aber sicher eines für jene, die in den Abgründen der menschlichen Existenz lesen möchten.
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