Rachel Sweet – …And Then He Kissed Me
Zu dem Zeitpunkt, als die Kleine noch ab und an in die Windeln schiß, feierte die Ältere ihren ersten Millionen-Hit. Das war 1967. Der Titel: „Be My Baby“. Inzwischen hat sich Rachel Sweet zu einer (bislang) hörenswerten Rocksängerin gemausert. Heute versucht sich der dralle Teenager nun genau an jenem Super-Oldie.
Dem Song, der einst Ronnie Spector, 38, mit dem New Yorker Damen-Trio The Ronettes schlagartig weltberühmt machte.
Auf dem Stiff-Sampler THE AKRON COMPILATION präsentierte sich Rachel Sweet als eine der Entdeckungen 1977/78. Ihre beiden Solo-LPs FOOL AROUND (1978) und PROTECT THE INNOCENT (1980) bestachen durch den frechen Charme der kleinen Göre. Cover-Versionen wie „B-A-B-Y“, „Fools Gold“, „New Age“ oder „Baby, Let’s Play House“ lebten von Rachels frischer, unverdorbener Naivität. Die Produktion orientierte sich an den Möglichkeiten und Qualitäten ihrer Stimme, förderte das kindlich-jugendliche Organ. Heute, in ein neues aufgesetztes, unpersönliches Erfolgskonzept und -image gezwängt, ist Rachels Stimme ganz nach den Erfordernissen der Produktion ausgerichtet. Ihre Stimme hat an Individualität eingebüßt, ist zum ausführenden Organ für einen erfolgsträchtigen Rocksound im typisch zeitgemäßen, amerikanischen Radio-Strickmuster degradiert. Geglättet und gebügelt fürs eingeschliffene amerikanische Konsum-Ohr.
Einzig der erste Song „Shadows In The Night“ von DL. Byron spricht an. Hier drückt Rachel ihre volle Kraft rein, katapultiert ihre ganze Energie raus. Rachels eigene Kompositionen wie „Billy And The Gun“, „Party Girl“, „Fool’s Story“ und „Streetheart“ sind Musterbeispiele für Rockmusik aus amerikanischen Kochtöpfen. „Too slick to Rock’n’Roll. Und die verbleibenden Cover-Versionen ersticken an einem aufgepfropften Sound-Volumen. Weniger ist oft mehr!
Äußerst erfrischend dagegen die neue LP SIREN von Ronnie Spector. Nach ihrer wohl nicht gerade glücklichen Zeit als Angetraute von Phil Spector mobilisierte Genya Ravan, ex-Ten Wheel Drive und Solo-Sängerin mit New Yorker Rock’n’Roll-Appeal, die alte Leadsängerin der Ronettes für ihr neues Label Polish Records. Zugleich produzierte Genya Ravan diese schon im letzten Jahr eingespielte LP. Ronnies ausgeprägte Stimme, ihre Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit ex-Mann Phil Spector sowie Genyas persönliche Rock’n’Roll-Vergangenheit und ihr Ohr und Umsetzungsvermögen für neuzeitliche Rockformen fließen in dieser Produktion raffiniert zusammen. Eine glückliche Kombination.
Schon die Auswahl der Begleitmusiker unterstreicht den zeitgerechten Produktionsanspruch. Keine abgebrühten Studio-Asse, sondern alles Leute, die in dem New Yorker Tagesgeschehen verwurzelt sind: Cheetah Chrorne von den Dead Boys, Billy Wrath von den Heartbreakers, Joe Vasta Jr. und Thomrny Price von der Mink De Ville Band, Louie Leprore von der Cherry Vanilla Band u.v.a.
Eröffnet wird der Song-Reigen mit „Here Today, Gone Tomorrow“ von den Ramones. Die energische, aber wohlgetimte Instrumentierung erzeugt einen rauhen, kernigen Rocksound, der immer noch genug Freiraum für Ronnies Gesang läßt. Diese temperierte Einheit zieht sich durch alle weiteren Songs. Leider weisen jedoch nicht alle Nummern den gleichen Standard auf. Reminiszenen an vergangene Tage brechen vereinzelt durch, ohne gleich einen Spector-Revival zu erzeugen. Besonders die Backside vermittelt aber eine überzeugende Vorstellung von Ronnie Spectors ungebrochenem Talent. Insgesamt ein glaubwürdiges Comeback.
2(Rachel Sweet) 4(Ronnie Spector).
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