Rae & Christian – Northern Sulphuric Soul :: Platte des Monats:

Es ist kein Geheimnis, daß der konventionelle Bandbegriff in Dance-Kreisen nur wenig zählt. Lieber vergräbt sich ein Produzentengespann in die Geborgenheit des Studios, knobelt Rhythmusgrundlagen aus und engagiert wechselnde Sänger, die den Song mit Verve nach außen repräsentieren. Unkle haben es zuletzt so gemacht, Massive Attack sind der Prototyp dafür. Nun also auch Mark Thomas Rae und Steve Douglas Christian – zwei Recken aus Manchester, die bislang nur an ausgewählten Club-Produktionen beteiligt waren. Doch jetzt ist erst einmal Schluß mit bescheiden. Das Duo wagt den Sprung aus gesicherter Untergrund-Nestwärme ins kalte Wasser des Mainstream. Ein gewaltiger Satz, den Rae & Christian sich da vorgenommen haben. Doch er wird sein Ziel, die Hitparaden, nicht verfehlen. Den Nordengländern ist es gelungen, die seelenvoll-trippige Wärme britischer Dance-Denker mit dem robust-straßenorientierten Slang amerikanischer Rapper zu kombinieren. Über den schnellen Trend hinaus bewährte HipHop-Koryphäen wie Jungle Brothers, Jeru The Damaja, YZ und Curt Cazal (früher JVC Force) ließen sich die Mitwirkung an der transatlantischen Kooperation nicht entgehen.“Anything U Want“, der Beitrag Cazals mit 0 Ball, rotiert um ein infektiöses Female-Vocal-Sample, das die beiden mit unkompliziertem Endachtziger-Native-Tongues-Vibe der De-La-Soul-Schule versetzen. Die Jungle Brothers operieren auf ähnlichem Level und richten einen eindringlichen Appell an die Rap-Gemeinde, sich endlich zusammenzureißen. Was die Herren bieten, ist aller Ehren wert. Was die Ladys aber anbieten, gehört ins Lehrbuch moderner Pop-Kunst. Sharleen Spiteri von der schottischen Band Texas unternimmt ihren bisher spektakulärsten Versuch, in der punktebringenden Dance-Culture Fuß zu fassen: „The Hush“ ist mit toller Melodieführung und rauher Atmosphäre klar der beste Song, in den sie je Wörter hauchte. Daneben läßt eine Unbekannte aufhorchen. Die 22jährige Veba, ein Talent aus Manchester, singt gleich vier Songs und dürfte sich mit ihrem herzerweichenden Vortrag im melancholischen „Swan Song (For A Nation)“ und dem forschen „All I Want“ zentnerweise Creds sichern. Erstaunlich: Dafür, daß NORTHERN SULPHURIC SOUL ein Gemeinschaftsprojekt und obendrein noch ein Debütalbum ist, sind die Einzelbestandteile fein aufeinander abgestimmt. Das Gesamtresultat dringt in die Seele ein, regt das Tanzbein an und fordert im Nu zu ausgelassenem Mitsingen auf. Die Platte stellt nicht nur ein gleißend strahlendes Überlebenssignal für Manchesters zuletzt ruhige Musikszene dar. Sie ist ein Klassiker von Weltformat.