Renegade – TheLives And Tales Of Mark E.Smith von Mark E. Smith & Austin Collings €

Wer die „lange erwartete‘ Autobiografie des Fall-Gründers Mark E. Smith lange erwartet hat, kann ruhig noch ein bisschen länger warten. „Renegade-The Lives And Tales Of Mark E. Smith“ ist eher eine Sammlung von Anekdoten und Standpunkten und vor allem von Meinungen, die sich an Bandbiografischen Eckdaten aus 32 Jahren Fall entlang hangeln. Die Sprache-Smiths Stärke als Songtexter zwischen Surrealismus und romantikfreien gesellschaftspolitischen Kommentaren -wirkt beiläufig, als hätte Ghostwriter Austin Collings einfach eine Reihe von Gesprächen protokolliert, transkribiert und verhalten editiert. Nicht selten kommt Smith vom Hundertsten ins Tausendste-wie im Kapitel „The Wife“, in dem er auf den ersten paar Seiten von seiner Ex-Ehefrau Brix und seiner aktuellen Elena erzählt, bevor sich der Text in einem Assoziationsfeuerwerk auf und davon macht wie ein guter Fall-Song. Es fällt auf, dass Smith sehr um die Korrekturen seines vorurteilsbeladenen öffentlichen Bildes bemüht ist-der misanthropische, launische, schwierige, gewalttätige, unberechenbare heavy drinker. Ja, es habe Mitte der 90er Jahre eine Zeit gegeben, in der er viel, sogar viel zu viel getrunken habe. Das merkwürdige TV-Interview anlässlich des Todes von John Peel erklärt er mit technischen Problemen in den In-Ear-Monitoren. Smith,der als verbaler Kettensäger gilt, geht hier mit dem Skalpell an die Arbeit und verursacht damit viel nachhaltigere Wunden bei seinen Opfern. Wenn er U2, eher beiläufig in einem Nebensatz, als „Christen-Rock-Band“ bezeichnet, ist alles zum Thema gesagt. Man muss Smiths Meinungen zu Ex-Bandmitgliedern, Bildungssystem, Drogen, Popkultur, Musikjournalismus und Sex -seit er bei The Fall sei, sei sein Sexualleben eher rückläufig- nicht teilen: zumal sie herrlich unfundiert und ex cathedra verkündet werden. Aber man sollte sie schätzen als Auslaufmodell in einer bunten Schmusewelt, in der alle und alles okay sind. Dass Mark E. Smith im Grunde ein konservativer Mensch ist, haben wir längst geahnt. Er bestätigt das nicht nur durch wiederkehrende distanzierende Äußerungen zum Punk, sondern auch mit einem sehr traditionellen Familienverständnis. Wenn man schon mit einer Frau zusammenlebe, meint Smith, dann solle man sie gefälligst auch heiraten. Wir denken darüber nach.

www.visi.com/fall