Rio Reiser, München, Theaterfabrik
Rios erste Solo-LP war in den Charts. Nicht gerade dort, wo Madonna steht, aber immerhin. Und Rio ist damit definitiv weiter in den Pop-Himmel vorgestoßen, als es seine legendäre und radikale Ex-Band Ton Steine Scherben je hätte zugelassen. Trotzdem: Die Scherben haben immer noch eine kleine, fast fanatische Anhängerschar, die nun die Gelegenheit wahrnahm. Rio, den Scherben-Sänger, zu sehen. Durch penetrantes Zwischenrufen versuchen sie prompt ihrem Wunsch nach Aufwärmung von Evergreens Ausdruck zu verleihen. Wahrlich. Rio hat’s nicht leicht…
Nachdem sich München auch noch als schlechtest besuchter Gig der ganzen Tour erweist, ist es nur allzu verständlich, daß der Künstler etwas indisponiert zur Sache geht. Die Augen fast ständig geschlossen, wurstelt sich Rio durch sein Konzert, unterstützt von einer Band, die leider Gottes nicht mit der Mannschaft seines famosen Debüt-Albums identisch ist. Zwei Ex-Scherben, plus zwei Männer der Berliner Combo Stricher, sowie ein Ex-Schlagzeuger von Marius Müller geben sich zwar redlich Mühe, finster dreinzuschaun, doch mehr als nur eine vage Erinnerung an die Kraft und Vitalität der Platte können sie nicht vermitteln.
Höhepunkt Nr. I: „Bei Nacht“. Rio mit sich und seiner Verzweiflung alleingelassen, läßt im galoppierenden Refrain kurz aufblitzen, welch Potential in seiner ausgemergelten Gestalt uns heute verborgen bleibt.
Höhepunkt Nr. 2: Ein Medley alter Scherben-Gassenhauer. Rio am Klavier, solo, mit Schönheiten wie „Laß uns ein Wunder sein“, immer wieder durch taktlose Mitklatsch-Süchtige und unmusikalische Chorsänger aus dem Publikum unterbrochen. Trotz Zuhilfenahme eines Spulentonbands und vorprogrammierten Computerdrums bleiben viele Songs schon im Ansatz stecken: „Laß uns das Ding drehen“ klingt ohne Studiotechnologie beinah lächerlich; und auch „König von Deutschland“ — sicherlich einer der besten Popsongs, die je in diesem Land geschrieben wurden — stolpert seltsam verhaspelt daher.
Dies war nicht Rios Tag. Wir wünschen Dir schönere Bühnenkulissen, eine Qualitäts-Band, tolerantere Zuschauer, aber vor allem Eins: Gute Besserung, Rio.
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