Rock-Spezialitäten
Nachdem Los Lobos ihre mexikanischen Tanzrhythmen und texanischen Liebesschwüre zum großen Gefallen des Publikums endlich auch auf deutschen Bühnen zelebrierten, kann sich auch ein langjähriger Außenseiter wieder Hoffnungen machen: Joe „King“ Carrasco tauchte bereits Ende der Siebziger mit seinem völlig unmodischen Tex-Mex-Sound in den Plaltenregalen auf, doch blieb ihm ein Hit vom Schlage „Mendocino“ (Sir Douglas Quintett) versagt.
Das Album BORDERTOWN (Big Beat. UK-Import) verbreitet die Atmosphäre staubiger Straßenfeste und ansteckendem Rock ’n‘ Roll-Spaß made in Austin, Texas, wobei die Carrasco-Freundin Kris Cummings an Vox-Orgel und Akkordion die Akzente setzt (5).
Von Austin nach LA, wo mit „Falling“ James Moreiand ein neuer Rock-Poet sein Debüt feiert: Morelands Band nennt sich The Leaving Trains – Ähnlichkeiten zum Gun Club sind nicht zu leugnen, da auch in Morelands Songs amerikanische Tradition aufgegriffen, verarbeitet und verabschiedet wird. Da die Texte sich nur widerspenstig in Rock-Schemata fügen wollen, erhält die Musik einen unberechenbar-persönlichen Faktor, der das Album WELL DOWN BLUE HIGHWAY über das Gros neoamerikanischer Gitarrenbands heraushebt (Enigma. US-Import, teuer und schwer zu kriegen, 5).
Das neue Jahr startet das Ralph-Label mit 1979er Aufnahmen von Renaldo & The Loaf auf der LP STRUVE & SNEFF sowie einer avantgardistischen Saxophon-Session unter Leitung des Japaners Hajime Tachibana, kurz HM betitelt. Produziert hat hier Yellow Magic-Drummer Yukihiro Takahashi (beide 3).
Das neue Residents-Album WHATEVER HAPPENED TO VILENESS FATS? bringt die Musik zu einem gleichnamigen Video, das die Band 1972 zu drehen begann und erst 12 Jahre später fertigstellte, da die technischen Möglichkeiten erst heute auf den Stand der Residents ’72 gekommen sind. Leider bringt die Musik ohne zugehörige Bilder (das Cover liefert nur einen Eindruck) nicht ganz soviel (4).
Alle Ralph-Platten über Wishbone, Gräfin-Imma-Str. 48, 4630 Bochum In irgendeinem Non-Fashion-Kellerclub Londons: Entertainment mit Butch, Max Eider, Mr. Jones und David J. alias The Jazz Butcher Sänger Butens Versuch, ein „Southern Mark Smith“ (Songtitel) zu werden, steht die fast unverschämte Leichtigkeit im Weg, mit der seine Band zu Werke geht. Selbst Ex-Bauhaus-Bassist David J. wird von so viel coolem Understatement angesteckt und pumpt relaxte Läufe. A SCANDAL IN BOHEMIA ist eine LP. die britischen Kneipen- und Club-Bands als Meilenstein dient. Platte des Monats! (Rough Trade Vertr., 6) Schöner, keyboardlastiger Winter-Pop findet sich auf der Mini-LP WE HATE YOU SOUTH AFRICAN BASTARDS des irischen Duos Microdisney. Die Aufnahmen stammen aus den Jahren ’82/83. haben aber schon den stillen Charme ihrer 84er LP EVERYBODY IS FANTA-STIC (Rough Trade. 4).
The Royal Family & The Poor oder auch The Project – Phase 1 nennt sich der Liverpooler Solist Mike Kean, dessen erste LP nun auf Factory vorliegt. Mysteriöse Studio-Musik mit einigen Längen, dann aber wieder mit Passagen, die an eine Zukunft für Heimstudio-Bastler denken lassen. Kultobjekt (4).
Ähnlich wie im Falle der Sisters Of Mercy gehen die ersten Singles der stilistisch verwandten March Violets in England nur noch für Liebhaber-Preise über den Ladentisch. Für die weniger betuchten Fans sind jetzt alte Tracks des Quartetts auf der Billig-LP NÄTU-RAL HISTORY zusammengefaßt (Rough Trade Vertr., 4).
Das erste Stück Vinyl, das weniger als 12, aber mehr als 10 Inches Durchmesser hat, kommt von der Gruppe Alien Sex Fiend: „E.S.T. -Trip To The Moon“ ist die erste 11″ (= 28 cm) der Welt und eine der herrlichsten Monoton-Fetzer dieser Tage. Mehr von diesem Schlage enthält ihre LP ACID BATH. die Alien Sex Fiend im Februar live vorstellen wollen. Don’t miss it! (Rough Trade Vertr., 4).
Wiederveröffentlichung des Monats: AND HERE IT IS … AGAIN… Wire waren 1977-79 die führende Band zwischen Punk-Energie, und künstlerischer Vision. Der vorliegende Sampler wurde von Peter Hein und Xaq Seffcheque zusammengestellt und enthält so gut wie alle wichtigen Stücke, darunter auch rare Singles, die Wire auf und zwischen drei LPs einspielten. Eine Geschichtsstunde, weniger langweilig als die Gegenwart (5, Vertrieb: Das Büro, 4000 Düsseldorf).
’77-’79 gab es auch die Buzzcocks, deren Ex-Leader Pete Shelley heute Disco-Pop-Maxis produziert. Viel besser klingt allerdings Flag of Convenience (Steve Diggle und John Mäher) mit der Single „Change“/“Longest Life“, die Buzzcocks-Qualität erreicht (UK-Import, 5).
Neuen deutschen Punk-Rock bringt der zweite Teil des beliebten Samplers KEINE EXPERIMENTE!: Torpedo Moskau, Cretins oder Porno Patrol sind die neuen Namen der deutschen Hardcore-Szene, die hiermit ihre aktuelle Kult-Platte bekommt (4). Erhältlich über Weird System, Lange Reihe 101, 2000 Hamburg 1.
Mehr News und Stories