Roman Fischer – Personare
Ja, diese Nachricht sorgte schon für eine kleine Sensation innerhalb der Redaktion. Damit hätten selbst die dort ansässigen und hinreichend erfahrenen Musikjournalisten nicht gerechnet. Eigentlich hätte niemand damit gerechnet. Am allerwenigsten wahrscheinlich der Künstler selbst. Über zwei Jahre hat der 21-jährige Wahl-Augsburger an dem Nachfolger zu BIGGER THAN NOW gebastelt. Zwei lange Jahre, die er-mit ein paar kleineren Unterbrechungen für Konzerte – im stillen Kämmerchen mit Komponieren, Ausprobieren und Texten zugebracht hat. Und nach so einer langen Zeit in selbst verordneter Abstinenz kann einem schon mal der ein oder andere Zweifel über den eigentlichen Sinn seiner Arbeit überkommen, immer mit der nervenzehrenden Frage im Hinterkopf, ob das Endergebnis überhaupt irgendwen anspricht. Umso erfreuter war man über die positive Wandlung des Künstlers. Die Standardfrage: „Das ist doch nicht Roman „Fischer?“ Die Standardantwort: „Doch.“
Roman Fischers erstes Album erschien im Jahr 2004 und war, nach Aussage des Künstlers, „nicht richtig durchdacht“. Es fehlte zum einen an Zeit und zum anderen an der nötigen Erfahrung. Zwar ist Roman Fischer heute immer noch das, was man gemeinhin als jungen Hüpfer bezeichnet, aber er hatte zwei Jahre Zeit, um sich Gedanken zumachen und sein Handwerk weiter zu verfeinern. Inhaltlich hat sich auf dem neuen Album nicht großartig was geändert, aber die Aufbereitung der Songs ist um einiges gewaltiger und detaillierter. Auf „Personare“ hört man die Einflüsse von Placebo und Muse, aber auch Elemente aus der Klassik, insbesondere bei pianolastigen Stücken wie „All I Know“. Teilweise setzt hier erst nach knapp einer Minute der Gesang ein („Silver“). Auf „We See“ ist die Stimme von Roman Fischer wiederum so präsent, dass man das Gefühl nicht los wird, neben einem ganzen Chor zu stehen, und das Klavier bei „Evil Keys“ klingt ungewollt ein bisschen nach „Girl Anachronism“ von den Dresden Dolls.
Wie auch auf dem Vorgängeralbum spielt das Piano die zentrale Rolle. Als Hauptgrund dafür nennt Roman Fischer die Vielfalt des Instruments, Harmoniestrukturen, die man mit einer Gitarre nie hinbekommen würde. Einzig und allein das letzte Stück „Persona“ eröffnet mit einer Solo-Gitarre. Mit wenigen Ausnahmen sind fast alle Songsauf PERSON ARE energetisch und fordernd. Nichts mehr von wegen Schmusesänger. Harte Gitarrenriffs und ein schnelles Schlagzeug unterstreichen den oft dramatisch anmutenden Gesang. Von einem normalen Songaufbau nach Musikschema A mit der ordentlichen Strophe-Strophe-Refrain-Strophe-Bridge-Refrain-und-so-weiter-Folge ist hier eh keine Rede mehr. Ständige Tempowechsel und lange Bridges, die auch mal abrupt enden, lassen keinen Vergleich mehr mit einem „normalen“ Popsong zu.
Inhaltlich geht es auf PERSON ARE um sehr persönliche Themen, um zwischenmenschliche Beziehungen, um Lebenseinstellung und um die Fragen, die diese mit sich bringen. Es ist im Ganzen reifer, interessanter, anspruchsvoller Pop. Und das lässt das selbst gesteckte Ziel schon in greifbare Nähe rücken. Hat man Roman Fischer doch bei BIGGER THAN NOW weniger nach seinen musikalischen Fähigkeiten als nach seiner adretten Erscheinung bewertet. Klar, dass auch das viele, vorrangig weibliche, Sympathisanten anlockt. Aber wer möchte als Künstler schon auf das reduziert werden? Wichtig für Roman Fischer ist die Kontrolle über das eigene Tun und Lassen. Vorgefertigte Strukturen und feststehende Hierarchien mögen für manche Menschen ein Gefühl der Sicherheit darstellen. Für ihn verursacht allein der Gedanke daran heftige Bauchschmerzen. Schon seine ersten Versuche, sich im „normalen“ Berufsleben zurechtzufinden, scheiterten an den Arbeitszeiten.
So hat sich Fischer auch nicht in die Aufnahmen reinreden lassen, weder vom Manager noch vom Label. Eingeschlossen und zurückgezogen bastelte er vor sich hin. Selbst der Fernseher wurde verbannt, um die äußeren Einflüsse so gering wie möglich zu halten. Doch Einzelgänger hin oder her, für die neue Platte PERSON A RE hat er sich mit Christian Tiede und Danijel Zambo Unterstützung für Schlagzeug und Bass ins Studio geholt. Wobei Roman Fischer die gesamte Vorarbeit im eigenen kleinen Tonstudio geleistet hat. Wurde das erste Album BIGGER THAN NOW zwei Jahre zuvor nur peripher wahrgenommen, so wird sich das mit dem Nachfolger mit hoher Wahrscheinlichkeit schlagartig ändern. Und das absolut verdient.
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