Rückkehr der Toten

Die „Toten“ kehren zurück: Nicht von der Apokalypse soll hier gekündet werden, sondern von der Wiederkunft Bob Weirs, Phil Leshs, Bill Kreutzmanns und Mickey Harts. Die glaubten mit dem Ableben von Jerry Garcia am 8. August 1995 das Ende ihrer Band, der Westcoast-Institution Grateful Dead, gekommen. Bei gelegentlichen gemeinsamen Gigs nannten sie sich fortan „The Other Ones“, am 14. Februar 2003 feierten sie als „The Dead“ in San Franciscos „Warfield Theatre“ Auferstehung. Und jetzt werden die ersten neun Alben der Hippie-Gottväter (plus eine Doppel-CD mit Aufnahmen der Prä-Dead-Phase), die Ende 2001 – remastered und mit Bonustracks – in der Box the golden road erschienen sind, einzeln feilgeboten.

Birth Of The Dead

Rhino/Eastwest, 1965/66

Blues, Folk, Rock’nRoll Jazz, Country: Die Stil- und Spielarten waren noch säuberlich separiert, als Jerry Garcia (g, voc), Bob Weir (g, voc), Phil Lesh (b), Ron „Pigpen“ McKernan (keyb, voc) und Bill Kreutzmann (dr) alias The Warlocks alias The Grateful Dead im Herbst 1965 ihre musikalische Mission starteten. Die beiden CDs – je eine Studio- sowie eine Live-Scheibe – zeigen die Band im Embryonalzustand: tastend und suchend, dabei schon unkonventionell und lässig in der Aufbereitung von Klassikern der diversen Genres. 3,5

The Grateful Dead

Rhino/Eastwest, 1967

eltsam blass nimmt sich aus, was die Grateful Dead binnen vier Tagen für ihr Debüt zusammenschusterten – gemessen an dem, was andere (z.B. Beach Boys, Beatles, Byrds) in dem erleuchteten Jahr im Studio zelebrierten; gemessen aber auch an den Erwartungen, die die Band mit schillernden Performances im Golden Gate Park oder im Fillmore West geweckt hatte. Gleichwohl deutete sich hier – im „Viola Lee Blues“ oder in „Morning Dew“ – Großes an. 41 Minuten Bonusmaterial. 3

Anthem Of The Sun

Rhino/Eastwest, 1968

Druck von Label-Bossen und Produzent Dave Hassinger dennoch ein Quantensprung in der Band-Historie, auch dank der neuen Mitspieler Mickey Hart (dr) und Tom Constanten (keyb). Die Stücke, allen voran das irrlichternde „That’s It For The Other One“, waren aus allerlei Studio- und Live-Schnipseln zusammengepuzzelt, bildeten aber ein organisches, spannendes Ganzes. Für „Alligator“ erhielt Robert Hunter, der fortan für zahllose Dead-Klassiker die Texte schreiben sollte, seinen allerersten Credit. 4

Aoxomoxoa

Rhino/Eastwest,1969

„St. Stephen“, „China Cat I Sunflower“, „Mountains Of I The Moon“: Hinter dem mysteriös-mystischen Titel verbarg sich das ausgefeilteste, kunstvollste und inspirierteste Dead-Album so far. Einzig Garcia/ Hunter-Kompositionen gab es zu hören, allein Phil Lesh kam einmal mit zum Zuge. Viele Stücke sollten später zu den Konzert-Highlights zählen. Bonustracks: drei Funken sprühende Studio-Jams (u.a. The Eleven“), eine schwerelos schwebende Live-Version von „Cosmic Charlie“. 4,5

Live/Dead

Rhino/Eastwest, 1969

Die Legende beginnt hier: live/dead ist ein Meilenstein der Rock-Historie und der Beweis dafür, dass – egal wie gut sortiert sie im Studio zu Werke gingen – die Grateful Dead erst auf der Bühne richtig abhoben. Das 23-minütige „Dark Star“ segelt mit seinen nicht von dieser Welt scheinenden Improvisationen auf Augenhöhe mit den spirituellen Höhenflügen John Coltranes gen Himmel, im viertelstündigen „Turn On Your Lovelight“ gibt Ron „Pigpen“ McKernan den Blues-Exorzisten – und auch der Rest ist pure Magie. Hidden tracks: die tolle Single-Version von „Dark Star“ sowie ein launiger Radio-Spot. 6

Workingman’s Dead Rhino/Eastwest. 1970

Da staunten die Acid-Jünger: Nichts war mehr zu hören von halbstündigen Soli, abgedrehten Soundeffekten und kollektivem Ausklinken. Stattdessen flössen „Uncle Johns Band“. „Dire Wolf“, „Easy Wind“ und all die anderen wunderfeinen neuen Songs munter wie ein Gebirgsbach dahin: kristallklar, erfrischend, natürlich. Dazu schwelgte die Band in himmlischen Harmonies. Ein mutiges, unaufgeregtes Album, das das Große im Kleinen findet. 5,5

American Beauty

Rhino/Eastwest,197O

Die Dead des werktätigen Mannes Teil 2, nur mit den noch besseren Songs – und damit das beste Studioalbum, das Garcia. Lesh, Weir und Co. je eingespielt haben. Stücke wie „Friend Of The Devil“, „Sugar Magnolia“, „Brokedown Palace“ oder „Truckin'“ haben kaum ihresgleichen im weiten Feld zwischen Country, Rock und Folk. Bonusmaterial: „Truckin“ als Single-Version, Live-Takes, ein Edit von „Ripple“, ein „Grateful Duck“-Spot. 6

Grateful Dead

Rhino/Eastwest, 1971

Das in Fankreisen des Covers wegen „Skull And Roses“ – Phil Leshs Vorschlag lautete gar „Skullfuck“ – genannte zweite Dead-Live-Album verband die Ambitionen der Klangabenteurer von ehedem (zu hören in den 18 Minuten und drei Sekunden von „The Other One“) mit denen der songverliebten (Country-)Rocker, die hier Klassikern von Merle Haggard L(„Mama Tried“), John Phillips („Me & My Uncle“), Kris Kristofferson (Me & Bobby McGee“), Chuck Berry („Johnny B. Goode“) oder Buddy Holly („Not Fade Away“) ihre Referenz erweisen. Öfter mal was Neues also, oder: The Grateful Jukebox.4,5

Europe 72

Rhino/Eastwest, 1972

Und weiter ging’s mit Live-Material: Mit Kind und Kegel und dem Ehepaar Keith (p) und Donna (voc) Godchaux als neuen Mitgliedern war der Dead-Tross anno ’72 im Triumph durch Europa gezogen, wovon ein Drei-LP-Set Zeugnis ablegte. Die Doppel-CD enthält all das – knappe und ausufernde Stücke, Fremd- und Eigenmaterial – und mehr: sieben Bonustracks, inkl. Weirs zum Sterben schönes „Looks Like Rain“. Zumindest phasenweise glaubt man hier, die Dead würden mit ihrer Musik die Sterne berühren. 4

History Of The Grateful Dead, Vol. 1 (Bear’s Choice)

Rhino/Eastwest. 1973

Der Dead-Kosmos war etwas aus den Fugen geraten: Mit diesem Album, einer von Owsley „Bear“ Stanley zusammengestellten Kompilation von Songs, die im Februar 1970 bei Konzerten in den Filimores West und East aufgenommen worden waren, war der Vertrag mit Warner erfüllt, die Band frei für ihr eigenes Label. „Pigpen“, der zunehmend unter den Folgen seiner Alkoholsucht litt, erlebte die Veröffentlichung nicht mehr – er starb am 8. März 1973. Die Platte selbst bot viel Blues, hörte sich okay, aber eben auch gestrig an – „Captain Trips“ und Crew segelten längst auf neuem Kurs. 3,5