Simple Minds – Real To Real Cacophony
Vor geraumer Zeit hätte ich für diese LP mit Sicherheit fünf Sterne vergeben. Simple Minds erweisen sich hier als brillante Techniker – aber eben nicht als Erfinder. Das Feld, das sie so hingebungsvoll beackern, war bereits hervorragend bestellt. Zum Beispiel von Kraftwerk oder Devo oder Wegbereitern wie John Foxx (um nur einige zu nennen). Ihr Debutalbum „Live In A Day“ hatten sie in einer eher leichtgängigen poppigen Form von New Wave durchgezogen. „Real To Real…“ dagegen strotzt geradezu vor dramaturgischem Kraftaufwand. Gut gemacht alles, zugegeben, aber hinter den eindrucksvoll inszenierten Stimmungsbildern aus den Soundlabors, in denen die Zukunft schon begonnen hat, spürt man halt allzu stark die Absicht.
Egal, fesselnd ist es schon, was Simple Minds sich hier einfallen lassen. Dumpfes Schlagwerk wie von Roboterhand, zerhackte und neu montierte Rhythmuselemente, die Stimme enthält sich jeder Form von Seele und bewegt sich immer ein paar Schritte neben der synthesischen Klangbasis; verloren, kontaktarm, a-melodisch. „Real To Real Cacophony“ – Mrßklänge? Nein, aber ein straff organisiertes Nebeneinander. Mit „Camival“ kommt Temperament ins Spiel; Jahrmarktsmusik angereichert mit rockigen Elementen. Ganz eindrucksvoll dann der/ree gestaltete, improvisatorische Schluß.
Seite 2 bietet Erholung. In erster Linie wohl auch für die Band, die nun bis zur Auslaufrille jede Menge Spannung ablädt. Die Songs werden zusehends freundlicher, spielerischer, melodischer; der Sound gewinnt an Leben und erheblich an Stimulanz. Der Synthesizer erweist sich zeitweilig sogar als animierender Melodie-Träger. Kurz vor Torschluß schlagen Simple Minds dann sogar eine Gitarre an, die durchaus aus Fleisch und Blut besteht! Und dann reicht die Puste gerade noch für einen letzten Song, der im Vergleich mit dem höchst engagierten ersten Teil von „Real…“ fast schon belanglos klingt. Wacker geschlagen, trotzdem!