Singles

von Albert Koch Bastard-Pop ist eine Sache. Coverversionen von Achtziger-Jahre-Songs (vorzugsweise von Madonna], angefertigt von DJs (vorzugsweise Namensund Gesichtlose aus der zweiten Liga), eine andere. Wenn aber namens- und gesichtslose DJs aus der zweiten Liga Coverversionen eines Achtziger-Jahre-Songs („Into The Groove“ von Madonna! und eines Neunziger-Jahre-Songs LShow Me Love“ von Robin S.) zu So-was ähnlichem-wie-einem-Bastard-Pop-Cover umfunktionieren wie Blackjack das mit „Into The Groove“ (Zeitgeist/Polydorl, tun – dann, ja dann,“.wird’s hinten höher als vorn“ © Josef Winkler.

Da greifen wir schon lieber zu Coldplay. Jener Band, die vor Jahren in einem Anfall von musikinduzierter Neo-Romantisierung und gar nicht mal zu Unrecht vom Kollegen Sawatzki in der Musikzeitschrift Ihres Vertrauens zu den „neuen Oasis‘ ausgerufen wurde, gelingt mit „In My Place“ (Parlophone/EMI Electrolal wieder eine herrlich gefühligkitschig-pathetische Ballade, die in ihrer liebenswürdigen Antiquiertheit die hohe Schule der Songschreiberkunst zelebriert. Und da sage noch einer, die jungen Leute da draußen wollen keine richtigen Lieder mehr hören. Wollen sie nämlich doch.

Sensationell! Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit durften fremde Musiker Hand anlegen an ein Werk des King of Rock’n’Roll. Die niederländische Big-Beat-Posse Junkie XL musste sich zwar änlässlich ihres Remixes von „A Little Less Conversation“ IRCA/BMG Ariolal in JXL umtaufen, weil halt die Erben von Elvis nicht wollten, dass der gute Name des King mit Orogen in Verbindung kommen sollte. Ist ja auch verständlich, denn Elvis war ja Zeit seines Lebens als glühender Kämpfer gegen .den Missbrauch von Rauschgift aller Art bekannt. Dieses Semi-Big-Beat-Bastard-Teil funktioniert tatsächlich, weil J-U-N-K-l-E XL den flotten, funky Vortrag des King mit viel Gefühl auf den Oancefloor befördern. Perfekt. Für den Moment jedenfalls.

Wetten, dass in zwei Monaten kein Mensch mehr Musik aus der .New Yorker Anti-Folk-Szene“ hören will? Aber bis es so weit ist, erfreuen wir uns am singenden Comiczeichner Jeffrey Lewis aus dem „Dunstkreis“ der Moldy Peaches. Im Titelsong seiner Single „Back When I Was 4“ [Rough Trade/Sanctuary/ Zombal schludert sich Lewis im Dieter-Thomas-Heck-Tempo durch einen Talking-Folk-Song, der auch von Arlo Guthrie stammen könnte. Natürlich gibt’s auch hier die lustige Coverversion, die wir ja alle so lieben: „The Modern Age“ von den Strokes als Schrammel-Punk-Folk, bei dem’s hinten höher als vorn wird.

I Thomas D ist ein eher leichteres Ziel für musikjournalistischen Spott. Mittels pseu] do-spirituellem Geseiere im schwäbischen Idiom und Neo-Hippie-Getue macht sich der Fantastische Vier immer wieder gerne zum Horst. Und musikalisch sowieso. „Alle fürjeden“ IFour Music/Columbia/Sony Musicl ist das, was Thomas D und seine Band San Goku für Punk-Rock halten und nicht schlechter als das, was die Toten Hosen oder die Ärzte für Punk-Rock halten. Aber halt auch nicht unbedingt viel besser.

Die Jon Spencer Blues Explosion will keine Punk-Band sein, und trotzdem hat Spencer mehr Punk im kleinen Zeh als andere im ganzen Körper. „Sweet N Sour“ IMute/Virgin) besitzt neben dem vom Album bekannten Titelsong die zwei neuen Stücke „Maureen‘ und „Alex“, die einmal mehr den hohen Grad der trashy Rolling-Stone-isierung belegen, auf dem die Blues Explosion mittlerweile angelangt ist.

Tricky hätte man nach seinem sehr komischen..Blowback‘-Album gerne aufgegeI ben. Aber vielleicht darf man Stücke wie „You Don’t Wanna“ (Anti/ Connected) nicht als Tricky hören, so wie man Guinness auch nicht als Bier trinken darf und trotzdem gerade deshalb gut finden muss. Das richtig Komische an dieser Single ist, dass sie neben zwei Tricky-Songs noch einen der Girlgroup Ko-La aus dem „Dunstkreis “ des Trip-Hop-Miterfinders enthält. Ko-La, das sind drei 15- bis 16-jährige Mädchen (eine davon die Enkelin von Blues Breaker John Mayalll, die mit „What’s It Gonna Be“ einen catchy R’n’B-Elektronik-Song irgendwo zwischen den Sugababes und Destiny’s Child abliefern.

Zunächst eine Anmerkung: „Tomb Raider“ ist scheiße. Als Computerspiel, als Film, 1 als einfach alles. Jetzt kommen U2 mit dem „Tomb Raider Mix“ von „Elevation“ (Island/Mercury/Universall, der ein bisschen wie die Primal Scream-Variante des Albumsongs klingt, mit ein paar fetten Techno-Beats, einem Wall Of Synthies (danke, Brian Enol und einem „wu-hu-hu“ skandierenden Bono. Das ist nicht schlecht les schreibt ein erklärter U2-eklig-Finderl, aber offenbart das ganze Dilemma von U2 als die Salman Rushdies des Pop: das Hinterherjagen nach einer postmodernen Authentizität, die Selbstüberschätzung, das vermeintliche Auf-der-Höhe-der-Zeit-Sein, das künstliche Aufrechterhalten einer street credibility, wo doch der Kontakt zur street seit Jahren schon gekappt ist.