Singles
Oh, mein Gott, wie dirrty ist die denn? Christina Aguitera treibt die Lolitasierung in der Britney-Klasse weiter voran. Wo soll das denn bitteschön noch enden? Nach ganz nackig kann ja nichts mehr kommen. Höchstens noch: Haut abziehen. „Dirrty“ (RCA/BMG Ariola) jedenfalls wäre gar keine so schlechte Nummer, denn a) rappt Redman rum und b) sind ein paar hübsche knackige Elektrobeats around. Wenn da nur nicht c) dieser hirnrissige Text wäre und d) man nicht ständig vor Augen hätte, wie Aguilera lächerlich, leicht bekleidet und pseudo-lasziv im Video rumstakst. Obwohl: bei ihrem Modeberater ist kaum Stoff immer noch besser als viel Stoff.
The Cooper Temple Clause sollen ja gar nicht soooo übel sein, hört man allenthalben aus dem ein oder anderen berufenen Mund. Aber irgendwie will „Who Needs Enemies“ (Morning/BMG Ariola), dieser vollfett überfrachtete Brit-Prog-Kracher überhaupt nicht funktionieren. Dann schon lieber das lofi-ige Understatement von „Lapitu (Bedtime Story)“ oder des lieblich-fotkigen „Not Quite Enough“. Aber, irgendwo – dünkt dem Rezensenten – hat man das alles schon mal woanders gehört.
Den Punk Rock hat man auch schon mal woanders gehört. Vor allem in letzter Zeit. Punk ist ja nicht gleich Punk, wie wir Experten wissen, es gibt ja zum Beispiel Bands wie The Clash, und dann gibt’s auch noch Bands wie Die Ärzte. The Distillers aus Australien und ihr „City Of Angels“ (Hellcat/Epitaph/Connected) ist halt leider, Brett Gurewitz-Label hin – „authentisches“ Coverartwork her- dann doch eher ein dumpfes Geholze. The Distillers sollen ihre Gitarren nehmen und weggehen (© 2002 Max Scharnigg).
Endlich sampelt einer mal drohende-Handyanruf-im-Lautsprecher-der-Stereoanlage-Geräusche. Das wurde ja auch Zeit. Fettes Brot machen das auf „Welthit“ (Yo Mama/Capitol), einem flotten mit metallischen oder punkigen (je nach Betrachtungsweise) Gitarrensamples aufgeladenen up-the-bracket-Hip-Hopper, dem ja gar nichts anderes übrigbleibt als ein Welthit zu werden. Und noch drei Stück drauf auf dieser Single: „War das nicht derbe“ (Oldschool-Hip-Hop, ja gut, äh), „Birgit O“ (ein Straßenjungs-Cover, ähem) und „Sie“ (schön soulig).
Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein: Fools Garden, „Closer“ (Polydor).
Mit der Single „Mensch“ hat Herbert Grönemeyer wohl einen ziemlich dicken Eisbär an den Strand geführt. Alle Kippen aus, alle tanzen, alle sind glücklich, wenn der „Mensch“ im Radio läuft – Christina Aguilera-Fans genauso wie die von The Cooper Temple Clause. Nur Westernhagen nicht. Ob allerdings die bittersüße Ballade „Der Weg“ (Grönland/ Capitol) das alle-flippen-aus-Syndrom entfachen kann, das ist fraglich.
Fraglos ist dagegen, dass die Kylie sich langsam wieder ins Studio begeben muss. Mit vier Singles ist das „Fever“-Album nämlich ziemlich ausgequetscht. „Come Into My World“ (Parlophone/Capitol] – mit neu eingesungener Gesangsspur, wie ein Informant dem Rezensenten souffliert hat – ist ein netter Nachschlag, der aber den Qualitäts-Abwärtstrend seit „Can’t Get You Out Of My Head“ nicht aufzuhalten vermag. Obwohl das Teil wahrscheinlich gut auf dem Tanzflur ankommt. Und unten im Konferenzraum 2 natürlich auch.
Wo Kylie ist, ist Madonna nicht weit. „Die Another Day“ (Warner Bros./WEA), der Titelsong „zum neuen Bond“ – finden Sie nicht auch, dass die Titel der neuen Bonds zunehmend bescheuerter werden? – ist ein auf den „Music“-Zug aufspringender von Mirwais (Vocoder, Disco-Stomp, Streicher) produzierter Floorfiller. Schon ziemlich retro, aber weil von Madonna „alles, was ich anfasse vewandelt sich in Gold“ Ciccone, dann doch richtig zukunftsweisend. Bei The Streets flippen ja auch wieder mal alle aus, including der ziemlich famosen Charlotte Roche (ein Gruß von dieser Stelle aus). Das Schönste an „It’s Too Late/Weak Become Heroes“ (WEA) ist aber nicht die Musik, sondern eher die Tatsache, dass es sich dabei um eine Single mit Doppel-A-Seite handelt. Das hat Klasse. Das hat Schmiss. Das hat Pfiff. Das ist selten. Die Musik: halt so triphoppige Soundscapes und ein bisschen Gerappe mit starkem britischen Akzent. Okay, ich habe wieder mal überhaupt nichts verstanden. Weitermachen und ausflippen.
So, jetzt wird’s wieder volkstümlich. Die Yeah Yeah Yeahs hauen kurz vor der VÖ (Mediensprech für Veröffentlichung) ihres nicht nur in dieser Redaktion highly anticipated ersten Albums noch schnell eine Single raus. Die Band aus New York City wurde auf diesen Seiten schon mit Worten wie „brütend heißer Bastard aus Jon Spencer Blues Explosion, Boss Hog, The Cramps, einem Schuss Garagen-Olam-Trosh und einer gehörigen Portion „street“
beschrieben. Übernehmen wir das einfach unreftektiert für „Machine“ (Wichita/Clearspot/Efa), fragen uns aber, warum plötzlich alle sowas gut finden, wo’s doch schon ein bisschen wie Pussy Galore 1986 klingt. Und die hat damals auch keiner gewollt. Noch Platz für eine nutzlose Information? Karen O sollte sich mal von Christina Aguileras Modeberater ein paar Anregungen holen.
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