Slut – Still No. 1

Die Sache beginnt wie ein Film von Tim Burton: Eine kreiselnde E-Pianosequenz lässt Schnee auf die Erde rieseln. Bariton-Männerstimmen summen ein ganzes Kinderheim in den Schlaf… In zwei Minuten und 20 Sekunden bekommt die sechste Platte der Indiepopband Slut eine stilechte Märchenwelt-Pforte errichtet. Wer sie durchschreitet, wird vollständig in Zucker getaucht und hineingedrückt in die dicksten Kissen, auf die sich der lndiepop zu betten weiß. Für wen Songs und Sound von Bands wie Coldplay oder Starsailor großes Kino sind, kriegt hier einen Blockbuster kredenzt. Wenn auch einen bundesrepublikanischen Blockbuster, der jederzeit seine leicht verschüchterte Attitüde behält. Aber mit Filmpreischancen allemal, vor allem für seine üppige Ausstattung. Keine Liedbrücken-Überquerung bleibt von Chören unbesungen oder ohne ein süßes Flirren der in Effektglasur gewendeten elektrischen Gitarren. Im Refrain der wirklich schönen und wirklich 100-prozentig „Indie“freien Popballade „Wednesday“ malt das Klavier die Gesangsmelodie Note für Note nach. Hier galoppieren ein. zwei Lieder-nicht einfach so im Sattel, in der Kutsche! Dort walzen eines bis in den Morgen. Bald führt all die wild entschlossene Vollere! übers formvollendete Shoegazing bis kurz vor die Himmelstür. Dann geht still No1 verloren im stürmischen Zuckerwattetreiben, dann sind Slut unten, nein: oben mit Sigur Ros und den Pale Saints. Oh ja: ziemlich heilig, aber auch etwas blass – so ist diese Platte. Aber sie kann im richtigen Moment genossen tatsächlich vergessen machen, dass zu einer richtig guten Popplatte möglichst viele richtig gute Songs gehören. Und wer mag in dieser Jahreszeit schon Nährwerttabellen studieren? (geschrieben acht Tage vor Weihnachten} VÖ. 25.1.

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