Sorry Bamba :: Volume One 1970-1979

Thrill Jockey/Rough Trade

Wassermusik aus der Stadt auf drei Inseln: Das Kanaga-Album von 1977 zählt zu den rauschhaften Werken des Afrobeat, die bei der Aufforstung des Pop-Kanons vergessen worden waren.

„Da draußen aber gibt es unerforschte Wunder – Wunder, die darauf warten, dass der rechte Mann alles aufs Spiel setzt, sie zu entdecken.“ Dieser Satz wird dem Weltenbummler Mungo Park zugeschrieben, dessen Westafrika-Expeditionen in T.C. Boyles Roman „Wassermusik“ eine literarische Fortschreibung erfuhren. Park machte sich um 1800 auf die Suche nach dem Niger, bei Boyle wird er Zeuge einer Sinfonie, die sich aus dem Rauschen und Tosen und den dahinbrausenden Melodien des Flusses speist, der auf seine versteckte Mündung zustrebt. Da, wo Niger und Bani im Nordosten Malis zusammenfließen, liegt die legendäre Stadt auf drei Inseln, Mopti – Heimat der Bozo, Fula, Songhai und Dogon, Ort der vielen Kulturen.

Das Orchestre Kanaga De Mopti war eines von acht Regional-Ensembles, in denen die besten Musiker von Mali spielten, vom Staat finanziert. Mitte der 1970er hieß die Bigband schlicht „Kanaga“, der Name erinnerte an die traditionellen Masken des Stammes der Dogon. Orchesterchef, Flötist und Trompeter Sorry Bamba hatte sich zu dieser Zeit der Musik der Dogon verschrieben, was er mit dieser anstellte, bleibt im westlichen Afrika dieser Jahre ohne Vergleich, das 1977er-Album avancierte zu seinem Meisterwerk. In diesen Liedern wird von den heiligen Verstecken für die Masken und Fetische erzählt und das Glück der Heirat gepriesen – die Band aber, die diese Musik interpretiert, ist im Afro-Futurismus des 20. Jahrhunderts angekommen. Sie spielt einen kosmischen Funk, in dem Tradition und Moderne sich polyrhythmisch ineinanderdrehen; Metallglocken, Fula-Flöten, großes Balafon, E-Gitarren, Keyboards, ja Synthesizer finden bei Kanaga wie im Traum zusammen, dazu die hymnischen Bläsersätze, die sich in immer neuen Wellenbewegungen auf den Beat zu- und von ihm wegbewegen. Eine transzendentale Meditation mit einer Art Rap und mächtigen Call-And-Response-Gesängen, die von den höheren Hanglagen des Afrobeat in die Ebenen der Flüsse fallen. Das Jahr 1977, in dem David Bowies Low, das Debüt-Album von The Clash und Meat Loafs Bat Out Of Hell erschienen sind, verpasste eine Sensation aus dem psychedelischen Geisterreich Mali. Gut 30 Jahre später ist dieses Album eine Offenbarung. Es gehört zu den Wunderwerken des Afrobeat, die bei der Aufforstung des Pop-Kanons schlicht vergessen worden waren. Als Einstiegsdroge in die rauschhaften Welten von Sorry Bamba sei die auf zwei Longplayern verteilte Retrospektive Volume One 1970-1979 empfohlen.