Stanley Jordan – Cornucopia
Was tut ein Ex-Wunderkind, das gelernt hat, mit den Fingern beider Hände die Saiten der Gitarre aufs Griffbrett zu drücken („touch technic“ nennt sich sowas)? Live ist ihm geballte Bewunderung sicher. Aber auf Platte klingt Stanley Jordan eher nach einem überlasteten Duo, das Töne ohne Sinn und Verstand aufeinandertürmt: Glissando, Arpeggio – vor allem ganz mächtig viele.
Wenn man deshalb langsam als uninspiriertes Virtuosenmonster verschrien ist – was tun? Jordan will beweisen, daß er mit Jazzern richtig jazzen kann und außerdem den Blues im Blut hat. Er sichert das Ganze mit Fusiontiteln ab (da bringt’s nur der eine oder andere Groove) und setzt mit dem Titelsong ein schräcklich ambitioniertes Experiment obendrauf. Aber ob „What’s Goin‘ On“ oder „Autumn Leaves“ – der Funke springt selten über, das Feeling fehlt, der Bullshit liegt nie ganz fern: Schaut her, ich kann alles.
Was macht dagegen einer, der nicht nur bei Miles Davis bewiesen hat, daß er der Funkbopper unter der Jazzgitarristen ist? Er schreibt bodenständig angerockte Songs, die sich bestens zum Nachspielen anbieten würden – aber wer klingt schon so schwebend und zugleich schneidend wie John Scofield? Die Themen spielt er meist unisono mit Joe Lovanos Sax; Charlie Haden und Jack DeJohnette dürfen auch mal in freien Pulse umlenken, und Scofields Sinn für Phrasierung und Melodik ist wie immer phänomenal: seine Gitarre singt. Auf CD kommen zum starken Stündlein noch Bonustracks im Umfang einer LP-Seite hinzu.
Wofür schließlich stiehlt sich ein Fusion-Hero wie Lee Ritenour mit Kollegen wie Ernie Watts und Harvey Mason ins Studio? Um endlich mal straighten Jazz zu spielen – und zwar locker wie ein Wes Montgomery der 80er Jahre. Unbekanntere Standards zum Herzerweichen und frische Eigenkompositionen – ein schieres Vergnügen selbst für Ritenour-Verächter. 3 (Jordan) 5 (Scofield) 5 (Ritenour)
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