Steve Martland – Babi Yar, Drill

Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet das englische Label Factory, bisher bekannt als Heimat von Bands wie Joy Division und New Order (oder neuerdings von Happy Mondays), erschließt für die 90er Jahre neues Terrain im Klassik-Land. Zum Einstand erschien ein Paket mit fünf CDs.

Die Design-Freaks von Factory demonstrieren mit einer hervorragender Booklet-Gestaltung und mit flotten, informativen Begleirtexten, daß sich sogenannte „ernste“ Musik auch ohne verschnarchtes Image verkaufen und noch mehr genießen läßt. Wer die Factory Classics erwirbt, muß sich sowieso noch auf einige harte Brocken gefaßt machen. Denn nicht gängige, bekannte Werke aus dem Katalog abendländischer Kulturgüter stehen bei Factory im Mittelpunkt, sondern moderne Komponisten des 20. Jahrhunderts, darunter vor allem auch Briten wie Britten. Benjamins „Simple Symphony“ stellt das Kreisler String Orchestra auf der schönen Factory-CD Nr. 226 ebenso vor wie seine „Variations On A Theme Of Frank Bridge“. Hervorragend hört sich auch CD Nr. 236 an, auf der Oboist Robin Williams unter anderem Brittens „Sechs Metamorphosen“ und Sonaten von Francis Poulenc und Paul Hinüemith bläst.

Das Duke String Quartett spielt – schon ein wenig spröder – Werke von Dmitri Schostakowitsch und Michael Tippett (Nr. 246), während Pianist Rolf Hind (Nr. 256) mit Stücken von Györgyi Ligeti, Olivier Messiaen, Elliott Carter und Steve Martland in fast schon esoterische Ebenen abhebt. Dazu muß man in der richtigen Stimmung sein.

Den spannendsten „Klassiker“ aus dem neuen Factory-Repertoire liefert indes Steve Martland, der auf CD Nr. 266 zwei eigene Kompositionen vorstellt – moderne Sinfonik mit gewaltigen Dynamiksprüngen, atonalen Passagen und intensiven Klangschwelgereien.