Talking Heads – Little Creatures

PRO: Es solle ein „Country“-Album werden, hatte Byrne vorher verlauten lassen. Was wohl eher symbolisch gemeint war: Sicher, das Intro zum Titelstück könnte auch eine Loretta Lynn-Schmonzette eröffnen, aber ansonsten hat sich’s mit C & W. Eine Zurück-Orientierung auf sparsame, fast nackte Songs indes ist unüberhörbar. Und auch textlich läßt Byrne diesmal großstädtische Paranoia weitgehend hinter sich und pflegt stattdessen einen schlitzohrigen Humor, der oft schon an Randy Newman erinnert („ive seen sex, and I think it’s okay“).

Wer polyrhythmische Orgien früherer Alben erwartet, wird sich wohl oder übel umstellen müssen. Denn von den Aufnahmen blieb so viel Material ungenutzt, daß das nächste Album vermutlich ähnlich klingen wird… (5) BERND GOCKEL CONTRA: Selbst eingefleischte Talking Heads-Fans werden erhebliche Schwierigkeiten haben, David Byrne & Co. auf LITTLE CREATURES überhaupt wiederzuerkennen. Die Band geht konsequent back lo the roots; so schlicht ist sie uns seit „77“ und MORE SONGS ABOUT BUILDINGS AND FOOD nicht mehr gekommen. Und noch nie hat Byrne derart viele Anleihen bei traditionellen Klängen gemacht: Country-Gitarren, Schweineorgel, „Na-na-na-na“-Refrains, Marsch, Polka…

Nach den aufwendig komponierten, exotisch gewürzten Menüs der letzten Alben, schmeckt LITTLE CREATURES wie ein einfacher Rohkost-Teller: nahrhaft, aber ohne Pfiff und Raffinesse. Die Heads arbeiten nicht mehr mit der Durchschlagskraft der fein, aber ungemein dicht gesponnenen Arrangements, die ihnen zum endgültigen Durchbruch verholten haben: Byrne, der sieben der neun Nummern im Alleingang geschrieben hat, verzichtet diesmal auf seine perfekt ausgetüftelten Sound-Wände und setzt stattdessen voll auf die Überzeugungskraft tausendfach bewährter Song-Strukturen. Damit dürfte er die Band zwar endgültig vom Image einer leicht überdrehten Intellektuellen-Combo befreit haben – die hohen Erwartungen, die an den Nachfolger von STOP MAKING SENSE geknüpft werden, erfüllt er allerdings nicht.