The Band – A Musical History :: Das wahre arkadische Feuer

Ein pralles Multimedia-Paket faßt jetzt erstmals in Text, Ton und (zum Teil bewegtem) Bild die große Zeit der wichtigsten aller Americana-Bands zusammen. A MUSICAL HISTORY resultiert letztlich aus einer Art popmusikalischem Geschichtsschreibungsstreit: Als 1994 die 3-CD-Retrospektive ACROSS THE GREAT DIVIDE erschien, empörte sich Robbie Robertson, der vor allem mit Drummer Levon Helm schon länger zerstrittene und bei der Compilation nicht miteinbezogene Hauptsongschreiber der Band, unter dem Beifall wichtiger US-Musikkritiker über die Auswahl der Songs und Schlampereien beim begleitenden Infomaterial. Mit großer Sorgfalt und viel Aufwand dokumentiert nun die aus fünf CDs, einer DVD und einem 108seitigen Buch bestehende neue Luxusedirion das Schaffen der Rootsrock-Pioniere. Dabei hatte Robertson diesmal als Executive Producer das Sagen. Gewissermaßen erscheint hier nun also erstmals seine Sichtweise der Geschichte jener Band, die sich in juvenilem Alter als Begleitcombo des Rockabilly-Veteranen Ronnie Hawkins die Hörner abtourte, später mit Dylan durch das Stahlbad seiner ersten „elektrischen“ Welttouinee ging und während deT legendären „Basement“-Sessions mit dem Meister schließlich ihren Sound fand. Mit ihren ersten beiden Alben MUSIC FROM BIGPINK und THE BAND verpaßten Robbie Robertson, Levon Helm, Richard Manuel, Garth Hudson und Rick Danko zum Ende der 60er Jahre der damals auf psychedelische Höhenflüge fixierten Rockszene eine radikale Kurskorrektur und „erfanden“ quasi das Americana-Genre. Mit Folgen bis heute: Bands wie The Jayhawks, Wilco und Grandaddy wären ohne sie kaum denkbar. Songs wie „The Weight, „The Night They Drove Old Dixie Down“, „Up On Cripple Creek“ und „Ophelia“ sind längst unbestrittene Klassiker der US-Rocktradition.

Unter den 111 in 24-Bit-Technik remasterten Tracks sind 37 bisher unveröffentlichte: Demos, Live-Aufnahmen, Alternate Takes bzw. Mixes und auch ein paar in den Archiven vergessene Songs. Im Unterschied zu ACROSS THE GREAT DIVIDE leuchtet die neue Kollektion auf der ersten CD auch die Vor- und Frühphase der Band sorgsam aus: Die R’n’B- und Rock’n’Roll-Fingerübungen mit Ronnie Hawkins (Covers von Jimmy Reed, Muddy Waters u.a.) und als Levon &. The Hawks (hier schon Manuel- und Robertson-Originale) klingen kompetent, lassen aber noch nicht viel von den späteren Charakteristika des Band-Sounds erahnen. Das ist eher schon in den hier enthaltenen Demos („Song Sketches“ z.T. aus Hotelzimmern und in sehr frühen Arbeitsstadien) möglich. Streng chronologisch geht es weiter: CD 2 besteht im Wesentlichen aus Tracks von den BASEMENT TAPES und BIG PINK, zum Teil in Alternate Versions und ergänzt um Outtakes aus den dazugehörigen Aufnahmesessions. CD 3 ist auf den Rootsrock-Klassiker THE BAND und das 1970er Album STAGE FRIGHT konzentriert, dazu kommen Aufnahmen von einem 1971er Konzert und (ein besonderer Favorit Robertsons) ein bisher unveröffentlicher Studiotrack mit Van Morrison. Die vierte CD enthält sinnvollerweise nur vier Songs aus dem kompositorisch schwächeren CAHOOTS, dafür reichlich Material aus dem starken Live-Album Rock Of Ages. Es zeigte die Band, zum Teil von New-Orleans-Koryphäe Allen Toussaint mit funkelnden Bläserarrangements ausgestattet, in Bühnenhochform. Erste Zerfallserscheinungen prägten die letzten drei Jahre der „klassischen Phase“ mit Robertson: 1972 versuchte man mit dem überwiegend aus Coverversionen alter Rock’n’Roll- und R’n’B-Standards bestehenden MOONDOG MATINEE Zeit zu gewinnen. Nur vier Tracks daraus sind hier berücksichtigt, dafür bringt CD 5 u.a. mit „Forever Young“ auch einen Klassiker aus dem ’74er Dylan-Album PLANET WAVES, bei dem Robertson, Danko &. Co. wieder als Studioband für den einstigen Förderer fungierten, ebenso wie Takes von der auf dem Album BEFORE THE FLOOD verewigten festgehaltenen Tour mit Dylan im gleichen Jahr. Mit NORTHERN LIGHTS – Southern Cross und Islands rangen Robertson & Co. sich in den mittleren 70ern noch ein sehr gutes und ein solides Album ab – beide sind hier mit einigen Tracks und je einem Demo berücksichtigt. Im „Winterland“ in San Francisco gaben sie an Thanksgiving 1976 ihren Ausstand mit THE LAST WALTZ – hier u.a. vertreten durch Fassungen von „Evangeline“ mit der wunderbaren Emmylou Harris und „The Weight“ mit den Staples Singers.

Die DVD ergänzt das alles mit Impressionen aus Robertsons Heimstudio in Woodstock 1970, Liveaufnahmen von 1970 bis 1974 und Bildern von einem Auftritt bei „Saturday Night Live“ 1976. Das Buch glänzt mit vielen großartigen Fotos und einer kenntnisreichen, auf einem Interview mit Robertson fußenden Bandhistorie. Außen vor bleiben die Robertson-losen Reunions der 90er. Das kann man unter pophistorischen Gesichtspunkten durchaus vertreten, der Graben zwischen Robertson und Levon Helm aber wird dadurch wohl eher noch größer.

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