The Chemical Brothers – Surrender :: Kräftig
Eines gleich vorweg: Der HipHop-Einfluß, die „Block Rockin‘ Beats“ sind verschwunden. Den Chemicals ist ihre bekannteste Hymne suspekt geworden, wohl auch wegen des unerwarteten Gewinns eines Grammys dafür. Tom Rowlands und Ed Simons fordern den Hörer auf, sich neuen Reizen hinzugeben. Diese Reize aber sind punktuell erschreckend konservativ ausgefallen. „Let Forever Be“ klingt schon vom Titel her nach Oasis, wird tatsächlich von Noel Gallagher gesungen. Bei „Asleep From Day“ haben sich Tom und Ed auch mehr an Gaststar Hope Sandoval (Mazzy Star) als an sich selbst orientiert. Das Rock-Familientreffen komplettieren Bernard Sumner und Mercury Revs Jonathan Donahue. Wirklich überzeugend sind die Chemicals dann, wenn sie bei ihren Dance-Leisten bleiben. Wenn sie wie in „Music: Response“ Electro-Funk, Acid-Bleeps und Filter-Disco zitieren. Wenn der Bass in „Under The Influence“ mit Urkraft an die Wand nagelt. Wenn sie melodischen Downbeat-Techno oder Jump-Up-Rave-Sounds einbauen. Dann ist Party. Dann stimmt die Chemie. Dann sind Tom und Ed vorne. Dann ergibt man sich freiwillig und mit Freude. Im Zusammenwirken mit den renommierten Gästen entsteht jedoch der Eindruck von Zerrissenheit, der beim nächsten Mal verschwinden sollte. The Brothers have to work it out.
Jose Alberto „El Canario“ – Herido (Ryko Latini/Contacto Latino)
Nicht ohne Grund läßt sich Salsa-Diva Celia Cruz bei ihren Tourneen schon seit Jahren von seinem Orchester begleiten. Auf der Bühne oder im Studio-Jose Alberto, genannt „El Canario“, zeigt, wie die Quintessenz aus 50 Jahren Afro-Cuban Jazz, Mambo und Salsa heute zu klingen hat. Schon der Eröffnungstitel „Me Dejó Picao“ zieht passionierte Tänzer mit magischer Kraft aufs Parkett. Romantische Melodien und mitreißende Call & Response-Gesänge mit heißen Bläsern werden auch in den übrigen Titeln von rollenden Bongo-Beats und synkopierten Conga-Grooves unterstützt. Anklänge von spanischem Flamencooder peruanischer Folklore gibt’s als Beilagen in diesem kochenden Hauptgericht aus Son Montuno, Guaguanco mit Big Band-Arrangements, genannt „Salsa Brava“. Trotz seiner Herkunft aus der Dominikanischen Republik klingt Alberto wie ein waschechter „Sonero“ kubanischer Schule. Als Vorbilder
Tony Allen – Black Voices (Comet/Groove Attack)
Herzlich willkommen im Spannungs- und Problemfeld von Tradition und Moderne, Authentizität und Pop. Knietief waten wir in kulturellem Kolonialismus, exotischem Thrill auf positiv rassistischer Basis. Was glücklicherweise in Bezug auf dieses Produkt weder für die Erstellungs- noch die musikalische Ebene gilt. Die Zusammenarbeit eines 30 Jahre aktiven afrikanischen Funk-Pioniers mit dem heißesten aller neuen französischen Bedroom-Produzenten ist ein ebenso seltenes wie wunderbares Beispiel einer guten und sinnvollen Kooperation.Tony Allen, hauptsächlich bekannt durch sein langjähriges Spiel in Fela Kutis Band, gehört zu den Begründern einer Afrikanischen Moderne, einer umgekehrten Aneignung von Einflüssen. Auf einer US-Tour im Jahre 1969 mit James Brown und Max Roach zusammengetroffen, importierte der Perkussionist den Groove der ersten Welt nach Nigeria und war damit einer der Protagonisten des Afrobeat. Dieses erste Lebenszeichen seit langer Zeit verweist eindeutig auf die Vergangenheit und zeigt durch seine Aktualität gleichzeitig, wie präsent dieser Sound und diese Rhythmik in den Sampling-Arbeiten der Gegenwart ist. Insbesondere Doctor L als gefeierter Jongleur zwischen den Jahrzehnten hat einiges aus diesem faszinierendem Soul-Paralleluniversum gezogen und hatte von daher wenig mehr zu tun, als mitzuspielen, punktuelle Sounds zu setzen und das Gesamtbild klanglich zu homogenisieren. Mit dem Ergebnis, daß BLACK VOICES wunderbarbar organisch läuft und mit den üblichen Ethno & Seat-Verbrechen nichts zu tun hat. Statt dessen hören wir beseelt-entrückten Sing-Sang zwischen Fela Kuti und Last Poets, warme WahWah-Gitarren, den blubbernden Bass von P-Funk-Veteran Mudbone Cooper und im wahrsten Sinne des Wortes zwei Hände voll Perkussion. Sensibel modernisiert ergibt sich ein Wunder an Zeitlosigkeit, Musik, die gleichzeitig funky und entspannt, warm und cool ist. Von Connaiseur zu Connaisseur.
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