The Encyclopedia Of Swedish Progressive Music – von Tobias Petterson & Ulf Henningsson Premium, 240 S. & 1 CD. ca. 49 € :: In einem Land neben unserer Zeit
Es gibt ja diese Geschichte mit den Paralleluniversen, die (wenn ich mich recht erinnere) in der elften oder zwölften Dimension eingerollt sind und als transparent schimmernde Mikroschnecken durch die Luft taumeln, irgendwie so. Gerät man durch einen Superzufall mit Ohr oder Auge an die Öffnung solch einer Schnecke, macht es „Zipp!“, und man findet sich in einer Welt wieder, von der man bis dahin nicht mal ahnte, dass man sie träumen kann. Das kann zum Beispiel passieren, wenn man sich das Cover dieses Buchs anschaut. Plötzlich schwebt man in einem Wolkengebirge sehnsüchtiger, leuchtend neonbatikfarbener Erinnerungen an eine Zeit, die es nie gab, an ein Paradies nebenzeitlichen Fantasielebens, in dem kommerzielle Musik in etwa eine so wichtige Rolle spielte wie heute die Nazirockszene von Burkina Faso. In der man, erfüllt von zauberhafter Naivität, politische Forderungen aufstellte, die nichts mit Energiesparlampen und Benefizgalas zu tun hatten, sondern Leben und Welt als Ganzes umfassten und das komplett ernst meinte. In der man schwärmte, träumte, sich begeisterte, Ironie indes für eine Methode der Metallverarbeitung hielt. Ob es eine solche Welt in Schweden zwischen 1967 und 1979 wirklich gegeben hat oder die vielen hundert Platten, die hier samt Cover und Hintergrundinformationen aufgelistet sind, samt und sonders erfunden sind, spielt überhaupt keine Rolle; die schönsten Geschichcen sind wahr, weil sie passiert sein könnten (oder, wie in diesem Fall, in der schönsten aller Welten auch passiert wären). Es ist dies der erstaunliche Sonderfall eines akribisch recherchierten, höchsten musikwissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Kompendiums, das als solches für so gut wie niemanden einen Nutzen hat, jedoch als Stimulans für Fantasieflüge so perfekt, grandios und wunderbar gelungen und wirksam ist, dass man nicht mehr aufhören kann, darin zu blättern und sich zu verlieren. Legt man dann noch die mitgelieferte CD auf- drei unveröffentlichte, fantastische Sessionaufhahmen der Baby Grandmothers von 1967 mit über 30 Minuten Spielzeit und den Titeln „Opus 1: Ascending“, „Opus 2: Floating“ und „Opus 3: Descending“ -, kann man die lächerliche Nische der Welt, die wir „Realität“ nennen, nur noch für einen dummen, bösen Schwindel halten.
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