The Modern Lovers

Gleich vorweg: wer Garagen als Soundschmiede nicht ernst nimmt, grün anläuft, wenn ihm mehr als fünf aufeinanderfolgende Noten bekannt vorkommen, es peinlich findet, wenn ein hartgesottener Typ mit überkippender Stimme „I’m in love with your eyes“ krächzt und immer noch nicht begriffen hat, daß John Cale (seit nunmehr zehn Jahren) die Zukunft des Rock’n Roll ist – er möge sich die folgenden Zeilen schenken.

Also, Freunde der alten und der neuen Welle, die ihr euch nun erwartungsvoll zusammengerottet habt: es geht hier um nicht mehr und nicht weniger als um das gebrochene Herz von Jonathan Richman. Der ist Frontmann der Modern Lovers, und die beweisen, daß Kalifornien immer noch gut ist für aufregende musikalische Ungelacktheit. Das Debütalbum der „Modernen Liebhaber“ wurde zwar schon im vergangenen Jahr veröffentlicht, ist hierzulande aber leider immer noch nur per Spezialimport zu haben. Musikalisch ist es gezeugt vom unsterblichen Geist der frühen Doors (auf zwei Titeln der ersten Seite schier unüberhörbar) und der noch epochaleren Velvets. Wenn dann noch Ober-Undergroundler und Profi-Avantgardist John Cale Regie führt, muß dabei ja etwas höllisch Ausgekochtes herauskommen.

Mit Ausnahme von „Roadrunner“ (übrigens im Juli ein britischer Charterfolg, der die alte Rechnung ,Rock ’n‘ Roll plus Raserei = Realitätsflucht‘ aufmacht) geht es in allen Songs natürlich ums Thema Nr. 1. Dabei hat Songwriter und Sänger Jonathan Richman aber so seine speziellen Probleme. Als schüchterner Neurotiker jagt er in der verzweifelten Leere und Einsamkeit der Großstadt jenem kleinen Glück nach, das er immer wieder auf die rührendhausbackene Formel bringt: „All I want is a true girl.“ Er verzehrt sich in unerfüllter Haßliebe („Hospital“), hängt dem fruchtlosen Gedanken nach, wie leicht man als Berühmtheit Frauen aufreißen könnte („Pablo Picasso“) und zimmert sich eine Privatwelt, die alle Beschissenheit des Alltags aussperrt: „The modern world is not so bad/ Not like the students say/ In fact I’d be in heaven /If you’d share the modern world with me.“ Sehnsüchte eines ’76er Twens, der schließlich Haltung annimmt und solange „I love the USA“ grölt, bis er’s selbst glaubt. Oder nicht? Denn dazu kreischt die Orgel wie einst die der dekadent -satirischen Band „USA“. Und nach dem Schlußknackser grübelt man wieder mal vor sich hin, ob’s Naivität war oder Nonsens, Irrsinn oder Ironie. Im Zweifel letzteres. Schließlich hat die bizarre Umsetzung jugendlicher Frustration bei Cale-Produktionen Tradition, seit er Iggy Pop 1969 „No fun, baby“ schreien ließ. Daß Jonathan Richman ein paar Worte mehr findet, ändert nichts am Sachverhalt: „There is a lack of sweetness in my life. There is a pain inside“, schluchzt er über den schmutzigen, monoton-pochenden Garagenrock der Modern Lovers. Und der ist wie Jonathans und unsere Welt: häßlich und zugleich schön. (Ein kleiner Hinweis noch: von Jonathan Richman gibt es noch zwei weitere Alben, „Jonathan Richman & The Modern Lovers“ und „Rock ’n‘ Roll With The Modern Lovers“. Sie fielen musikalisch gänzlich anders aus als die hier besprochene Debüt-LP!)