The Notwist – Shrink

Mein Freund Thomas sagte „Nein!‘ zu Faschos, schätzte Freddy Krueger und öffnete Bierflaschen mit dem Feuerzeug. Neben Fugazi, Henry Rollins und den Spermbirds prangte ein „The Notwist“-Aufkleber auf dem Tank seiner geschundenen Honda. Ich sehe ihn noch mit sanftem Lächeln unter seiner DDR-Flagge sitzen: „Hardcore“, sprach er durch die massiven Gitarrenwände aus seiner Stereoanlage, „muß voll inne Fresse gehen.“ Ich stimmte ihm zu, denn er hatte entschieden zu tief an seinem Joint gezogen. Sechs Jahre später dann sowas: SHRINK. Das neue Album von Markus und Micha Acher, Martin Messerschmid und Martin Gretschmann. Das neue Album von The Notwist, eine neue Galaxie. Den brachialen Gitarren wurde der Maulkorb verpaßt. Statt dessen gibt’s gleitende Bläser, ein wummerndes Harmonium und Streicher. Posaune, Vibraphon und Samples. Echtes Schlagzeug, Bass und Gitarre. Wie läßt sich das Geräusch beschreiben, das beim Zusammenprall zweier Glasmurmeln entsteht? Egal, denn The Notwist basteln daraus pure Perkussion. Das schrille Zirpen, wenn man versehentlich unter einer Faxnummer angerufen hat, ersetzt hier die Rückkopplung. SHRINK ist eine eklektische Geisterfahrt durch die Musikgeschichte. Denn wenn Musiker vom späten Punk kommen und nun Phrasierungen eines Tenor-Saxophons arrangieren, die von Pharoah Sanders sein könnten, dann ist das ein weiter Weg und fordert Respekt. Popjazz und Elektronik werden auf weise Weise verbunden-die späten Talk Talk haben also doch noch helle Hörer gefunden. Bei aller Intelligenz und kalkulierter Millimeterarbeit bestimmen Wärme und Melodie die Atmosphäre – und Bemerkungen zu den Lyrics von Leuten, die solche Musik machen, sind ohnehin überflüssig. The Notwist haben ein Album aufgenommen, für daß man sich bedanken muß. Würde gerne wissen, was Thomas davon hält.