The Ramones – Brain Drain :: Platte des Monats

Nach BRAIN DRAIN, auf dem Joey & Co. dem Saurier-Syndrom in der Rockmusik weiterhin Paroli bieten, hat sich die Ramones-Saga um ein paar bildkräftige Kapitel erweitert, haben die Ur-Punks aus der New Yorker Bowery bewiesen, daß sie vielleicht nur eine Handvoll Akkorde kennen, aber eine unendliche Fantasie haben.

BRAIN DRAIN reflektiert mit entwaffnender Frische vieles von dem, was die Ramones so einzigartig macht: klare Strukturen, Tempo, exzellente Songs, die eine Idee nicht zu Tode reiten, sondern ihre Essenz mit kühlem Skalpell freilegen. Den guten, ehrlichen, weißt-du-noch-Punk haben die Ramones längst (seit sechs oder acht Alben) auf eine comic-hafte, surreale, taoistischfederleichte Ebene gehoben, auf der er, zumindest in dieser Ausprägung, schlicht unangreifbar ist.

Gut ausgewählte Cover-Versionen wie „Polisades Park“ haben bei den Ramones Tradition (man denke an das geniale „California Sun“) und zeigen Querverbindungen ihres Musik-Bewußtseins, dos sich seiner Wurzeln in Surf und High School der frühen 60er bewußt ist. Diese verdeckte Komplexität des vermeintlich simplen Ramones-Sounds deckte Produzent Bill Laswell auf BRAIN DRAIN mit spitzen Fingern und schneidender Intelligenz auf: Kein überflüssiger Hall (wie bei Phil Spectors Ramones-Amok END OF THE CENTURY), kein Füller aus Keyboard-Kisten und klare Drums. Dafür schon mol Note 1.

Bis auf „Pat Sematary“ und „Merry Christmas“ bestritt Laswell die gesamte Sound-Arbeit, die beiden übrigen Titel produzierten Jean Beauvoir und Daniel Ray, mit denen die Band zuvor bereits arbeitete. „Pat Sematary“ ist der Titelsong zum neuen Stephen-King-Kinoschocker und zeigt die Ramones auf ureigenem Terrain: Sie kreisen in ewigen Bahnen um sich selbst und werden nicht müde, eherne Weisheiten wie „Ignorance Is Bliss“ zu verkünden – Ignoranz ist ein wahrer Segen.

Eine solche Truppe, die Rockmusik auf elementarste Strukturen reduziert, die „Speed“ als Botschaft an sich entdeckte, eine Band, der es obendrein gelang, sämtliche existentiellen Begierden in die allumfassende Formel „I Wanna“ zu gießen, kann man schwerlich zu hoch einschätzen. In knappen, lakonischen, intelligenten Texten sagen sie mehr über moderne Zeiten/American Life als andere Musiker in ganzen LP-Boxen. (wt)

BILL LASWELL, PRODUZENT

Laswell, neuer Producer der Ramones, ist keiner jener Modeschneider, die alle Klienten über einen Kamm scheren. Als Mitglied der New Yorker Band Material bewies er bereits Gespür für Verbindungen zwischen Dancefloor, Jazz und Avantgarde, er spielte mit Elektronik, ohne daß sich die Experimente deswegen im luftleeren Raum verloren. Doch erst als Produzent schien er sich richtig entfalten zu können. Dabei stürzte er sich auf so unterschiedliche Objekte wie Mick Jagger (SHE’S THE BOSS), Laune Anderson (MR. HEARTBREAK) oder Motörhead (ORGASMATRON). Bill Laswell kann sehr knurrig sein, wie auch John „Rotten“ Lydon während der Arbeit mit ihm erfuhr (ME 7/89), doch mit Exzentriker Iggy Pop hingegen verstand sich Laswell hörbar gut(INSTINCT). Auch für die Ramones fand er die richtigen Töne. Ihr jüngstes Album strahlt soviel Frische und Gradlinigkeit wie schon lange kein Werk der Ewig-Jungen mehr aus. Bill Laswell – ein Produzent, der stets künstlerorientiert arbeitet und sein Ego an den Reglern im Zaum hält.

(wt)

GABBA GABBA HEY: 15 JAHRE RAMONES

1974 schlossen sie sich in New York zusammen: Joey Ramone (alias Jeffrey Hyman, voc), Johnny Ramone (alias John Cummings, g), Dee Dee Ramone (alias Douglas Colvin, b) und Tommy Ramone (alias Tom Erdelyi, dr). Benannt hatten sie sich nach Paul McCartneys kurzzeitigem Pseudonym „Phil Ramone“ aus frühen Silver-Beatles-Zeiten. Ihr erstes Album RAMONES erschien 1976 auf Seymour Steins Sire-Label und prägte den amerikanischen Punk-Rock-Sound mit kurzen, ungeheuer schnellen und genauen Songs. ,Blitzkrieg Bop‘ – präziser konnte man es nicht ausdrücken. Danach softeten sie ihren Sound mit denkwürdigen Singles wie „Sheena Is A Punk Rocker“ oder „Rockaway Beach“, doch im Prinzip blieben sie immer die Chronisten des chaotischen, vergnügungssüchtigen amerikanischen Teen-Lebens, das sie mit witzigen, pointierten und abgehobenen Texten karikierten.

1977 nahmen die Ramones für ihr drittes Album ROCKET TO RUSSIA erstmals eine Ballade auf, „Here Today, Gone Tomorrow*. Tommy Ramone verließ die Band und arbeitete künftig als Coproducer. Für ihn kam Mark Bell, der sofort in Marky Ramone umgetauft wurde. Das vierte Album ROAD TO RUIN enthielt nur (!) 12 Songs und dauerte tatsächlich länger als eine halbe Stunde.

1979 wirkten die Ramones in Roger Cormans Spielfilm „Rock’n’Roll High School“ mit, doch wie ihre Producer-Experimente mit Phil Spector oder 10ccs Graham Gouldman (PLEASANT DREAMS) brachte ihnen das weder Mainstream-Allüren noch großen kommerziellen Erfolg ein. Sie bleiben bis heute im Prinzip ein Szene-Phänomen: integer, lustig, druckvoll und immer ein Live-Ereignis. (wt)

DISCOGRAPHIE

RAMONES 1976 LEAVE HOME 1977 ROCKET TO RUSSIA 1977 ROAD TO RUIN 1978 irs AUVE 1979 END OF THE CENTURY 1980 PLEASANT DREAMS 1981 SUBTERRANEAN JUNGLE 1983 TOO TOUGH TO DIE 1986 ANIMAL BOY 1986 HALFWAY TO SANITY 1987 RAMONES MANIA 1988