The Singles
Reggaeton ist ja das neue Ding für Leute, die sich aus britischem Neo-Wave-Pop nichts machen und stattdessen lieber mit dem Arsch wackeln. Solls ja geben, soll’s ja geben, solche bedauernswerten Kreaturen. Also, Reggaeton ist eine Mischung aus Dancehall-Beats und HipHop. Und Cubaton ist eine Mischung aus Reggaeton und „dem Feuer des kubanischen Gesangs “ (Presseinfo). EL Medico hat mit „Chupa Chupa“ [Topaz/Warner] so einen Cubaton-Arschwackler draufien. der in Spanien und Schweden, den klassischen Arschwackelländern, schon ordentlich abgeräumt“ hat. Also überhaupt nichts gegen Reggae-, Cuba- und Wasweinichnochfürton per se – Daddy Yankee ist ein Guter. Aber das hier ist großer, kommerzieller Charts-Wegwerf-Mist inkl. Arschwackelinstruktionsvideo.
Naja, Balladen sind nicht unbedingt die ganz große Stärke von Green Day, oder? Überhaupt: Punk-Balladen? Gibt’s sowas? „Wake Me Up When September Ends“ (Reprise/Warner) ist die vierte Single aus dem Album American Idiot und gar nicht mal so gut. Die B-Seiten „Give Me Novocaine“ und „Homecoming“ stammen aus der TV-Serie „VH-1 Storytellers.“ Gut für Biertrinker.
Endlich einmal ein Amerikaner, der britischen Neo-Wave-Pop macht. John Edward Donald stammt aus Chicago, lebt in Berlin und war Ende der 80er/Anfang der 90er in verschiedenen Hardcore-Bands tätig, hat irgendwann Joy Division entdeckt und dann Human Elephant gegründet. „The Human Elephant“, die B-Seite der Single „Terrorist“ (am Start-Tortenversand/Hausmusik/lndigo) klingt tatsächlich wie der lange verschollene Joy-Division-Track, die A-Seite leider wie dergar nicht mal so lange verschollene Adam-Green-Song, inklusive Haha-Lyrics wie „I wanna be a terrorist… I wanna be an alcoholic“.
Das könnte funktionieren nach dem 15. Bier im „Jennerwein“: Die zweite Single der Glasgower Mother And The Addicts heißt „Oh Yeah … You look Quite Nice“ (Chemikal Underground/Rough Tradet und bietet Trash-Rockabilly-Surf-Chaos-Zeug mit britischem Akzent, das Kunden, die die CD von Art Brut gekauft haben, sicher auch bald kaufen werden.
Es wird genauso kommen: Irgendwann wird der britische Neo-Wave-Pop von britischem Stinknormal-Rock abgelöst, und wir hören dann aus Protest nur noch Reggaeton. Erste Anzeichen für die bedenkliche, aber nicht zu stoppende Entwicklung: Nine Black Alps aus Manchester. Die haben es geschafft, auf ihrer „Shot Down EP“ (lsland/Universal), die nominal fünf Tracks enthält, keinen einzigen Song zu packen. Viel heiße Luft hinter und zwischen dem, was man dann wohl „dreckige Gitarren nennt.
Da.äh, kann der Sommer kommen: „The World Is Waiting“ (Unique/Groove Attack), die neue Single des Frank Popp Ensembles, ist ein fluffiger Six-I ties-Popper, der von Ben Addison (Ex-Corduroy) im „Ben Human Remix“ tanzflächiger aufbereitet und im „ASCII Disco Remix“ in einen düsteren Elektro-Rockerverwandelt wird. Eines noch: Hip Teens Wear trotzdem Blue Jeans.
Die Soho Dolls sind – musikästhetisch einordnend gesprochen – die kleinen, mißratenen Schwestern von Client (danke, oasupp, für diesen Vergleich). Auf der B-Seite ihrer ersten Single, dem grandiosen „Prince Harry“ rieten sie – zu gar nicht mal so un-Garbageesken Elektro-Klängen – dazu, ein nicht näher spezifiziertes Objekt zu zerstören, weil es ohnehin nur gemietet sei. „Stripper“ (Paptones – UK-Import) heißt die zweite Single, deren B-Seite die Stampf-Bumm-Slade-in-Electro-A-Seite um Längen schlägt. „1724“ hat nichts mit dem gleichnamigen Jahr zu tun, sondern erzählt – stark vereinfacht – die Geschichte eines 24jähngen, der eine 17jährige mit in den Londoner Regents Park nimmt, um mit ihr dort den Geschlechtsakt zu vollziehen. Das kommt als bitter-süßer, dunkler Electro-Track, circa The Human League 1979.
Wo wir schon bei 1979 sind. So heißt ein Lied der Smashing Pumpkins, die es fünf Platten lang geschafft haben, auch keinen einzigen Song auf die Reihe zu kriegen. Um das zu vertuschen, wurde das, was bei anderen Bands ein Song ist, bei den Smashing Pumpkins mit unendlichen Schichten von Gitarren und schwelgerischem Romantik-Zeugs zugekleistert. Das nannte sich dann „indie“. Was das mit den Stars zu tun hat? Ihre Single „Set Yourself On Fire“ (City Slang/V2/Rough Trade) ist nach dem Smashing-Pumpkins-Prinzip aufgebaut. Keine Songs, viel dick aufgetragener Zuckerguß. Klebrig vermutlich.
„On A Noose“, die erste Single von Towers Of London wurde vor zwei Monaten an dieser Stelle als – wir zitieren -„Feuer-unlerm-Arsch-punky-Rock“ abgefeiert. Mittlerweile hat der. der das damals geschrieben hat, Towers Of . London live gesehen bei „Rock am Ring“ und feststellen müssen, daß es sich bei diesen Menschen um fünf magersüchtige Vollspacken mit Mötley-Crüe-Frisuren, circa 1984, und schwarz-weiß-gestreiften Spandex-Hosen handelt, von denen zwei, die zunächst zum Zwecke der Freigetränkbeschaffung in die Musikexpress-Lounge bei „Rock am Ring“ gelangten, dann aber sofort von einem umsichtigen Verantwortlichen an die Luft gesetzt wurden. Gut. ne? Nun ja, unter Kenntnis des Vorgenannten gilt für „On A Noose“ und die zweite Single „Fuck It Up“ (TVT Records/SPV): „Feuer-unterm-Arsch-hair-metally-Rock“. Nur hat das jetzt auch noch diesen gewissen Fußballstadion-Schlachtgesänge-Beigeschmack. Da schlafen wir noch eine Nacht drüber, gell?
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