The Singles
Wenn es einen Menschen in dieser schönen Redaktion gibt, der immer wieder für eine Überraschung gut ist, dann ist dasThe Sailer. Der kritische Punk war neulich tatsachlich bei einem Konzert von, halt dich fest, Blackmore’s Night. Weil,“.ja mei, der Ritchie Btackmore halt ein guter Gitarrist ist“. Die Single „Ml Be There (Just Call My Name)‘ (SPV), die der gute Gitarrist zusammen mit seiner Gespielin Candice Night aufgenommen hat, ist aber ganz sehr fürchterlicher Poprock mit grauenhaftem Gitarrengegniedel. Und die B-Seite „Olde Mill lnn“-und das ist jetzt kein Witz-ist ein Fall für den „Musikantenstadl.“
Die Brakes sind ja das Supergrüppchen, das aus Mitgliedern von British Sea Power, Electric Soft Parade und The Tenderfoot besteht, und „All Night Disco Party“ (Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade) tatsächlich ein kleiner sexy Motherfuckervon einem Super-nonstop-über-rocking-Disco-Party-Song. Halt mit Indie-Mitteln erzeugt, aber trotzdem Disco, wenn ihr versteht, was ich meine. Die B-Seiten: kleines, feines Indie-Rumgetue. LoFi-folkig.
Neulich früh um 4 in Haldern haben British Sea Power einen guten Eindruck beim Rezensenten hinterlassen. Was natürlich auch am Bier gelegen haben kann, „Please Stand Up“ (Rough Trade/Sanctuary/ Rough Trade) ist – nüchtern betrachtet – schon doofe, hymnische, englische Musik. Obwohl der Autor zurzeit einen softspot für doofe, hymnische, englische Musik hat.
Ja, „Tribulations“ (DFA/EMI) ist der beste Song auf dem Debütalbum von LCD Soundsystem. Allein wegen der Zeile „Everybody makes mistakes, but I feel alright when I come undone“. Diesen Electro-Acid-Disco-Punk-Gassenhauer gibt’s im Remix von Tiga („Tiga’s Out Of The Trance Closet Mix“), der schon ein bißchen nach Ibiza gehen will, es aber auf dem Weg dahin nicht schafft, das Stück kaputtzumachen. Der „Lindstrom Mix“ fängt an wie ein Stück Jazz-Improvisation, bevor er dann einen auf New-Order-Valium-Bumms-circa-1983 macht. Die Remixe, das Instrumental und die Album-Version, die auf der Promo-CD drauf sind, werden dann schon irgendwie auf die verschiedenen Formate (7-lnch, 12-lnch, CD-Single) verteilt werden. Da müssen wir uns keine Sorgen machen.
Vor ein paar Jahren war es ein sehr cleveres, subversives Gegen-den-Strich-Dingens in Indie-Kreisen, die Münchener Freiheit so richtig gut zu finden. Nach dem Motto: Wenn der Gesamtrocktrottel jetzt schon Tocotronic hört, dann hören wir Vollchecker lieber schleimige 80er-Jahre-Schlagermusik. um richtig cool zu sein. Jetzt feiert die Münchener Freiheit 25jähriges Jubiläum und haut die Single „Du bist das Leben ‚ (Koch/Universal) raus: 8oer Jahre Poprock-Sequencer-Quatsch mit Nackenhaaraufstelltexten – wer „echtes“ Gefühl will, soll meinetwegen bei Coldplay danach suchen.
Hai machen Musik, die den Schreiber dieser Zeilen so kalt läßt wie nur was. Jaja, „Don’t Come Running“ (Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade) ist schon ein Song, der manche Menschen direkt ins Herz treffen kann, weil: niedlicher 60er-Jahre Beach-Boys-Sonnenscheinpop. aber das Beste an dieser Band sind die Covermotive: entzückende Poesiealbum-Klebebildchen für Kinder – Kinder, diese kleinen, unschuldigen Geschöpfe.
Auch so eine Band, die sich weigert, HipHop als Musik für Baggypants-Spießer zu sehen, sondern als musikalische Kunstform: Oneself (feat. DJ Vadim, Blu Rum, Yarah Bravo). Auf der Single gibt es die 12-lnch-Version von „Paranoid (Ninja Tune/Rough Trade) mit mehr Gesang von Yarah Bravo, der sich um teuflische Streicher-Samples und abenteuerliches Gescratche windet. J Star macht in seinem Remix aus dem Track ein psychedelisches Dub-Monster.
Jetzt kann ich mich nicht entscheiden, was ekliger ist an den Sonics und „Anfang September“ (Zyx). ts gibt drei Möglichkeiten: 1) Die Musik: „hoffnungsvoller“ Newcomer-Pop aus dem Juli-Silbermond-Sound-Design-Atelier. 2) Fünf Typen, „für jeden etwas dabei‘: Der mit dem Afro. Der Rastamann. Das Mädchen. Der stylishe Britpopper. Der BWL-Student. 3) Der Bandname: Es gab mal eine Band in den 60ern, die hieß The Sonics, die war richtig gut, so ein Proto-Punk-Dingens mit dem Über-Hit „Have Love Will Travel“. Ein Fall für die Anwälte. Das ist dann auch so ein cleveres, subversives Gegen-den-Strich-Din-gens, wenn einer wie T. Raumschmiere sich darin gefällt, auf seiner Single „A Very Loud Lullaby“ (Novamute/Labels/EMI) jemanden wie Ex-Guano-Apes-Sängerin Sandra Nasic mittun zu lassen. Aber wir tun da nicht mit und euch den Gefallen, auf dieses leichte Ziel einzudreschen. Nein, der Gesang paßt ganz wunderbar zu der Elektro-Rock-Nummer, weil Nasic sich dieses gepreßte Crossover-Geschreie verkneift und – ha! – dabei an Gwen Stefani erinnert. Take it as a compliment, Sandra.
Die zuständige Agentur ist sich ganz sicher: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland nicht nur die SPEX-Leser von dieser Band schwärmen.“ Jetzt weiß ich (als SPEX-Leser) nicht, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung sein soll. Diese Band ist jedenfalls Who Made Who, die neue Discopunk-Sensation aus Schweden, die in Wirklichkeit mehr Disco als Punk ist und mit „Space For Rent“ [Gomma/Groove Attack] ein schwüles, Spiegelkugel-blinkendes Stück Midtempo-Funk abliefert.
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