The Vines – Highly Evolved :: Die Platte des Monats

Immer müssen sie übertreiben beim „NME“ . The Vines will den britischen Kollegen als zugegebenermaßen sehr talentierte, im gleichen Maße inspirierte und sich ausreichend ungestüm um rockmusikalische Vergangenheitsbewältigung bemühte Neuentdeckung nicht genügen. Nein, gleich muss von Energieumwälzungen wie seit Nirvana nicht mehr die Rede sein, von McCartney’scher Melodieseligkeit gar, vom heißesten Ding seit den Strokes sowieso. Eine „Sensation“, nur ein wahres „Spektakel“ mehr, wie es der „NME“ regelmäßig selbst erschafft, um beim Top-20-Einstieg des hauseigenen Hypes dann behaupten zu können, Britanniens meiste Musikzeitschrift habe es ja gleich und als Erster und überhaupt gewusst.

Was will man aber auch anderes machen als „New Musical Express“, der per Titel ja geradezu dazu verdammt ist, das Rad allenthalben neu zu erfinden? Ganz unaufgeregt darf im zurückhaltender betitelten Magazin Ihres Vertrauens den Überfliegern von Down Under zumindest attestiert werden: Es gibt eine Menge Bands, denen man Top-20-Platzierungen und „NME -Titel weitaus weniger gönnt als den jungen, ja nicht uncleveren Burschen aus Sydney. Dennoch bleiben wir lieber erst einmal unten gemeinsam mit Betty Clarke, die für „Guardian Unlimited“ nüchtern festhielt: „The Vines enjoy old-school tricks played with new wave intensity.“ Solches will und soll der in den späten Neunzigern gegründeten Band auch gar nicht mit Strokescher Coolness gelingen. Dazu gehen den Vines Saft, Pracht und pure Schönheit zu sehr vor Haltung und schnell auch verkrampfter Reduktion. So sehr sich die Australier wie in ihrem sexy Eineinhalb-Minuten-Smash-Hit „Highly Evolved“ und im Zwei-Minuten-Garagen-Bastard „Get Free‘ auch in den Rock der Stooges, von Primat Scream und The Hives (und bitte kein falsches Wort mehr über Nirvana!] werfen, sich heiser brüllen und derbe lärmen, so wenig können uns diese Fans von Beatles, Jimi Hendrix und den Kinks doch glaubhaft machen, dass sie richtige Rabauken sind. Kleine Racker höchstens.

Jedes einzelne gar festliche Gitarrensolo, das wie in stolzeren Zeiten des harten Rock Gesangsmelodien nur aufgewühlter wieder aufführt, jeder kunstvoll schmachtende Chor und das nächstens gen Psychedelia entschwindende Piano verrät die großen Romantiker. The Vines sind ganz sicher welche, und weil Songs wie die Musterballade „Homesick“, der Schleicher namens „Mary Jane“ (nahe an The Church gebaut) oder das konzentrierte Rührstück in Bruderschaft zu den hiesigen Blackmail mit schönem Titel „Autumn Shade“ sich dafür nicht schämen, sind sie neben dem aus der Reihe tanzenden sarkastischen Ska-Pop-Hopser „Factory“ – fast näher an 1OCC als an den Specials – die wahren Hits auf HIGHLY EVOLVED.

The Vines lassen auch in der Wahl des Bandnamens ein ebenso leidenschaftliches wie zweckmäßiges Traditionsbewusstsein erkennen: Nur leicht modifiziert, The Vynes mit „y“, hieß in den sechziger Jahren auch schon die Band des Vaters von Craig Nicholls, dem – charismatischen, wie man hört – Sänger, Gitarristen, Songautoren und Kopf der Vines mit „i“, die zwischenzeitlich auch schon ihren Schlagzeuger heimgeschickt und neue Profis eingewechselt hat. Da wird offensichtlich bandseits zur Welteroberung gerüstet. Wohlweislich hat man sich dazu Produzent Rob Schnapf [Beck, Elliott Smith, Guided By Voices] zur Hilfe gerufen. Der gab dem Debütalbum der Vines Fülle und breites Format. HIGHLY EVOLVED bleibt so aber auch nicht ganz frei von leichten Spuren der Überproduktion. Rauer, eruptiver und gar euphorisierend soll diese Kapelle in concert sein, stand zu lesen. Dort werde Energie umgewälzt wie dereinst bei Nirvana, und der Schutzheilige Paul McCartney hebt seine Hand und ….. NME“. bitte wieder übernehmen!

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